Was Nostalgie doch alles bewirken kann…
Da befindet man sich mitten auf einem Rockfestival und plötzlich brüllen eingefleischte, langhaarige Rockfans mit Nietenjacken, Röhrenjeans tragende Britpopper mit modischen Frisuren und in anderen Sphären schwirrende Hippies textfest zu den Klängen von Scooter mit. Zugegeben, deren Texte bedürfen keiner sonderlich geisitigen Auffassungsgabe, aber Scooter? Kaum einer würde wohl freiwillig zugeben dazu abrocken zu können. Meine erste Intention war also: „Hilfe! Die spinnen!“ Aber dann sprang der Virus über und ich fragte mich: Was treibt eine so heterogene Masse an, einträchtig zu einer Band zu rocken, deren Musik man kaum als solche bezeichnen kann?
Ich stand also inmitten dieser wogenden Masse aus Rockern, Poppern, Hoppern und Hippies und von allen Seiten brüllte es in mein Ohr „döp döp döp dödödöp döp döp, döp döp döp dödödöp döp döp“. Lichtfetzen fegten über die Masse und tauchten das Publikum abwechselnd in gleißendes Licht und schwarze Nacht. Und ich sah mir ihre Gesichter an. Sie verrieten kindliche Freude. Das Leuchten in ihren Augen erzählte von Erinnerungen an bereits vergangene Tage. Grundschulzeit. Nostalgie! Die Masse sprang. Die Masse tobte. Und ich grinste. Ich konnte einfach nichts dagegen tun. Die Situation war so absurd und irgendwie auch magisch. Marionettengleich zog es also meine Mundwinkel nach oben. Mein Herz begann beim Anblick dieser ausgelebten Kindheitserinnerungen zu hüpfen, es breitete sich ein wohliges Gefühl in mir aus und schließlich hüpfte auch ich. Mit der Masse. Einträchtig. Zu einer Band die ich sonst nie hören würde, wie wohl auch all die Anderen. Aber ja, es hatte etwas Nostalgisches. Da konnte auch der einsetztende Regen nichts daran ändern. Die Masse tanzte frenetisch weiter. Extatisch wurde nun „Hyper Hyper“ in mein Ohr gegrölt und jegliche Scham (zu Scooter abzurocken) wich dem Gefühl in eine andere Zeit gerutscht zu sein. In die Zeit von Zahnspange und Pickel. Und plötzlich befand man sich genau wieder in dieser Zeit und sprang mit kindlichem Elan auf und ab. Kümmerte sich nicht um die vermeintlich skeptischen Blicke des Nachbarn. Musste man auch nicht, denn schießlich sprang auch der. Alles was da war, war der Bass der durch den Körper vibrierte und das gemeinsame Gefühl der ausgelebten Nostalgie. „Abspacken“. Loslassen. Noch einmal Teenager sein ;)
Und ich freute mich. Dass Erinnerungen einen geradezu vor Energie strotzenden Mob herstellen können. Dass im Lebenslauf zurückliegende „Musik“ ein Gefühl von Gemeinsamkeit schafft. Dass ein bisschen Nostalgie soviel Freude & Spaß für den Moment erzeugen kann.