Die Sache mit dem Abschied

Abschiednehmen ist nie leicht. Oder vielleicht doch, wenn man sich zum Beispiel gemeinsam mit einem Herzensmenschen auf eine Reise begibt und sich für eine Zeitlang von seiner gewohnten Umgebung verabschiedet. Oder wenn man sich von etwas trennt, was einem ohnehin nicht gut tut. Einfach ist so ein Abschied dennoch nicht, denn der Mensch ist nun mal ein Gewohnheitstier. Ein überstürzter Abschied hinterlässt mitweilen sogar ein sehr eigenartiges Gefühl.

Ich zum Beispiel sitze gerade auf einem Bahnhof fest und habe einen solchen hektischen Abschied hinter mir. Gerade noch saß ich mit meinem Freund im Auto, schaute mir die vorbeifliegende Landschaft an und hing meinen Gedanken hinterher. Sicherlich anderen als er. Denn während er auf dem Weg zu einem Festival ist, habe ich meine Reise angetreten, um einen Teil meiner Familie zu besuchen. Auf für mich halber Strecke ist bereits sein Ziel. Von hieraus sollte es also für mich mit dem Zug weitergehen. Durch einen Stau waren wir spät dran. Aber es hätte klappen können.

Am Bahnhof abgesetzt, verabschiedete ich mich also in aller Eile, um meinen Anschlusszug noch zu ergattern. Nur ein flüchtiger Kuss und los. Schon im Fortgehen bzw. –rennen überkam mich ein sehr eigenartiges Gefühl… Und dann? Der Zug fuhr mir vor der Nase weg. Mist! Und als ob das nicht blöd genug wäre, drängte sich nun auch noch das eigenartige Gefühl in den Vordergrund. Ein Gefühl, als wären wir im Streit auseinander gegangen. Nanu!?

Während ich nun die nächste Stunde über den trostlosen Bahnhof „schlendere“, denke ich darüber nach, woher dieses Gefühl so plötzlich und unerwartet kam. Und das obwohl es doch nur ein ganz kurzer Abschied ist, denn schließlich können wir uns schon in zwei Tagen wieder in die Arme schließen.

Ich glaube solch eine emotionale Reaktion ist, wie so oft im Leben, tief verankert. Bei mir ist es wohl etwas, was mir meine Mutter schon früh immer wieder eingebläut hat: Niemals im Streit auseinandergehen! Immer ordentlich Verabschieden! Man weiß ja nie… Ja, Recht hat sie ja, aber was weiß man denn eigentlich nie? Letzteres klingt ja fast schon berdohlich. Und genau das ist es wohl, was gerade wie eine unerwünschte Internetwerbung in mir aufgeploppt ist, nun unermüdlich wie ein Flummi in mir auf und abspringt und meinen Gefühlshaushalt auf Touren bringt.

Ich versuche mich also an andere Abschiede zu erinnern. Ob es mir da auch so erging? Von der Schulzeit konnte ich mich jedenfalls leicht verabschieden. Schließlich wartete da eine neuer, spannender, weil selbstbestimmterer Lebensabschnitt auf mich. Aber gut, es war eben kein Abschied von einem Herzensmensch. Und er war lange vorher abzusehen, so dass ich mich gebührend darauf vorbereiten konnte. Der Abschied zu einer einmonatigen Weiterbildung in Edingburg war beispielsweise durchwachsen. Leicht, weil ich gespannt war, was mich erwarten würde. Schwer aus Respekt vor dem Neuen. Der Abschied von meinem Opa, nach dem Besuch im Krankenhaus, war da schon schwieriger. Oder auch der von Freunden, von denen man weiß, dass es ihnen gerade nicht gut geht. Diese Abschiede waren und sind stets mit intensiven Gefühlen verbunden.

Generell bin ich wohl einer der Menschen, der nie dicke Freundschaft mit Abschieden schließen wird. Selbst wenn es solche sind, die Not tun. Es braucht seine Zeit, aber dann fühlt es sich auch richtig an. Tja, und hier liegt wohl der Hase im Pfeffer begraben: Ist ein Abschied ein eigener Entschluss, hat man sich darauf vorbereiten können, kann man den Zeitpunkt selbst festlegen und sich dafür soviel Zeit nehmen, wie man braucht, ist es einfacher Abschied zu nehmen.

Sind es also Art & Weise sowie Umstände, die ein „Adieu“ erschweren können? Oder stecken dahinter andere Ängste, die sich in so fremdbestimmten Situationen ihren Weg an die Gefühlsoberfläche bahnen?

Der Teufel liegt wohl auch hier im Detail. Meint, dass es wohl von Person zu Person unterschiedlich ist. Dass es, wie so oft im Leben, auf vergangene Erfahrungen mit dem Thema Abschied ankommt. Und dennoch glaube ich, dass uns Menschen hier eines eint, wenn auch in unterschiedlichen Ausprägungen. Nämlich die Verlustangst. Die Befürchtung, dass sich dadurch etwas verändern könnte. Die Furcht, dass man etwas Liebgewonnenes verliert. Die Sache mit dem „Abschiedsdrama“ ist wohl also einfach nur menschlich.

Und dennoch, man sollte sich diesem Gefühl wohl nicht all zu sehr hingeben. Denn Angst lähmt. Klar, ein bisschen „Trennungsschmerz“ ist nicht von der Hand zu weisen, zeigt er doch einfach nur die Bedeutung der jeweiligen Person oder Sache. Aber dann… Schicht im Gefühlschaos-Schacht!

Ich schüttele meine Gedanken ab, suche meinen Zug und freue mich auf die bevorstehende Fahrt durch eine wirklich traumhafte Landschaft. Und während ich nun auf den herrlich grünen Teppich schaue, der an mir vorbeischwebt, verfliegt auch ganz langsam das dumpfe Gefühl. Tja und dann freue ich mich ganz einfach auf’s Wiedersehen in zwei Tagen. Auf das dies entspannter wird, als der Abschied.

In diesem Sinne: Ein Hoch auf die Wiedersehensfreude! Es lebe die Reunion!