Ich wusste ja schon immer, dass ich nicht mit dem Attribut der unendlichen Biegsamkeit ausgestattet bin. Aber ich dachte schon, dass auch Rhythmusgefühl ausreicht um eine einigermaßen gute Figur im Tanzkurs anzugeben. Schließlich kann ich in einem Club wunderbar die Hüften kreisen und mich frei, ungezwungen und ausgelassen zur Musik bewegen. Aber weit gefehlt, denn Vorchoreographiertes nachtanzen ist ein ganz anderes Kaliber. Und so musste ich feststellen: Taktgefühl allein reicht bei weitem nicht aus. Und auch das Sprichwort „Übung macht den Meister“ scheint meinen Knochenbau und meine körperlichen Voraussetzungen wenig zu interessieren. Stunde um Stunde, Tag für Tag, Woche für Woche,… hoffte ich darauf, dass aus dem sterbenden Schwan ein Anmutiger werden würde. Aber von vorn…
Nun, da ich mich nach langer Recherche endlich für einen lateinamerikanischen Solotanzkurs entschieden hatte, befand ich mich zwischen hüpfenden, gleitenden, springenden Frauen, die sich geschmeidig und biegsam wie Bohnen über die viel zu kleine Tanzfläche des Studios schoben (Nagut, manche sahen auch nicht so geschmeidig aus.), während ich herumstakste wie ein Storch im Salat. So jedenfalls hatte ich das Gefühl. Deshalb war es mir ganz recht, dass ich immer den Platz hinter meiner Tanzlehrerin erwischte und mich so nicht selbst im Spiegel sehen konnte. Damals fiel mir noch nicht auf, dass wenn man mich hinter ihr nicht im Spiegel sehen konnte, ich wohl ziemlich synchron mit ihr tanzte und somit gar nicht so schlecht sein konnte wie ich annahm.
Nicht verbissen, aber eisern „kämpfte“ ich mich deshalb jede Stunde durch die Choreographien und wunderte mich ein ums andere Mail über mich selbst. Ich rang mit der Koordination meiner Beine, versuchte sie auszutricksen, damit sie taten was ich wollte. Und dann war es endlich geschafft. Ich hatte meine Beine unter Kontrolle, die Knoten waren gelöst und sie taten was sie tun sollten. Ein Fest! Doch was war das, Armarbeit? Und die sollten auch noch etwas völlig anderes machen als die Beine!? Nun ja, man sagt ja nicht umsonst, dass man sich immer wieder neue Ziele setzen soll. Ferner heißt es, dass Frauen multitaskingfähig sind. Mit diesem Glauben setzte ich auch hier all mein „Potenzial“ in Bewegung ;) und versuchte mich nicht aus der Ruhe bringen zu lassen. Aber leider lässt sich diese Annahme nicht 1:1 auf meine Arme und Beine anwenden. Jedenfalls nicht hinsichtlich verführerischer Bewegungsabläufe bei tänzerischen Choreographien. Wenn nun immerhin meine Beine endlich einigermaßen adrett herumhüpften, für meine Arme reichte die Portion Geschmeidigkeit nicht mehr aus. Und nun stelle sich einer mal diese Kombination vor: Unten hui, oben pfui. Unten Schlangenbeschwörer, oben Zinnsoldat. Nein, das will wirklich keiner sehen dachte ich mir mit einem inneren Seufzer. Denn wie gern hätte ich irgendwann mal irgendwem meine Tanzkünste vorgeführt. Aber bei diesem Anblick wäre er oder sie wohl eher in schallendes Gelächter, anstatt in sabberndes Entzücken verfallen. Und damit nicht genug, denn beim lateinamerikanischen Tanz muss nicht nur der Oberkörper etwas anderes als der Unterkörper machen. Nein, nun sollte die linke Seite auch noch etwas anderes als die Rechte tun. Ich werd‘ verrückt. :D Aber auch hier blieb ich unerschütterlich am Ball, bzw. auf dem Tanzparkett.
Was mich jedoch viel mehr irritierte war: Während alle Anderen schwitzten, keuchten und pusteten, war ich jedes Mal noch fast im Ruhezustand. Mein Puls war kaum höher als sonst. Meine Gesichtsfarbe nicht einmal eine Nuance röter, und mein Kälteempfinden noch genau das Gleiche. Ich fror. Ich hatte als Einzige noch immer meine Jacke an, während sich bei allen Anderen auf den kurzen Trägertops Schweißflecken ihren Weg bahnten und drohten sie komplett einzunehmen. Nun denn, vielleicht habe ich durch das regelmäßige Schwimmen einfach eine andere Kondition, beruhigte ich mich. Dennoch, wo blieb denn da der nette Nebeneffekt beim Sport bzw. war auch dies ein Indiz für die Unfähigkeit das Tanzbein zu schwingen? Oder hatte ich einfach nur den falschen Tanzstil gewählt? Vielleicht sollte ich weniger auf geschmeidige Tanzarten, als mehr auf zackige Stile setzen. Flamenco oder so? Oder etwas zum auspowern wie Rock`n`Roll oder Swing? Egal, ich ließ mich nicht beirren.
Als ich mich dann jedoch einmal im Spiegel sah, war dies ein motivierendes, wenn auch durchaus eigenartiges Erlebnis. Zunächst mochte ich gar nicht hinsehen, aber da uns unsere Tanzlehrerin immer wieder ermahnte nicht ständig den Boden anzustarren, sondern stolz nach vorn zu sehen, blieb mir nichts anderes übrig. Und dann war ich doch erstaunt, dass mir dort nicht der erwartete sterbende Schwan entgegen sprang. Natürlich auch kein grazil tänzelnder Pfau. Aber immerhin Jemand, der die Bewegungen richtig und im Takt ausführte. Jemand, der vielleicht etwas steif in den Knochen war, was der Tatsache, dass man einen Tanz erkannte jedoch keinen Abbruch verlieh. Hoppala…. Es ist eben doch noch kein Meister einfach so vom Himmel gefallen. Ich war positiv überrascht und gewillt meinen Körper noch mehr Gelenkigkeit zu lehren.
Und dann kam mein Orthopäde ins Spiel… Er eröffnete mir, dass ich ab sofort bitte jeglichen Sport sein lassen sollte. Ich fühlte mich schlagartig nicht ungelenkig sondern alt :P Das war doch jetzt ein blöder Scherz, oder? Die nächste Pina Bausch würde ich zwar ohnehin nie werden, aber mühsam ernährt sich das Eichhörnchen und ich hatte mir nun immerhin schon ein kleines Polster an Biegsamkeit angeeignet. Ich hatte die Grundvorausetzungen für einen Paartanz ohne größere Fußverletzungen geschaffen. Also nicht mit mir und schon gar nicht jetzt…