Wie man sich bettet, so liegt man

… lautet ein sehr altes und ebenso bekanntes Sprichwort, das in vielerlei Hinsicht eingesetzt werden kann. So umschreibt es metaphorisch, dass man für die Konsequenzen seines eigenen Handelns selbst verantwortlich ist. Ich jedoch hatte letztens eine sehr erheiternde Unterhaltung, die es mir nahe legte mich mal mit der offensichtlichen Bedeutung dieses Sprichwortes auseinanderzusetzen. Nämlich dem Schlafen, der Schlafsituation und dem sich daraus ergebenden Schlafkomfort.

Wie ich nämlich erfahren habe gibt es Menschen, die müssen gar nicht mehr liegen um zu schlafen, haben sie nur das richtige Schlafdress. So hieße es dann in diesem Falle wohl eher: Wie man sich kleidet so schläft man. So erfuhr ich von kuscheligen Ganzkörperschlafanzügen – bzw. Schlafoveralls, denn man muss ja wenigstens begrifflich modisch bleiben – im Leolook. Mit  Kapuze UND Ohren. Die seien so kuschelig und warm wie eine Decke, dass man damit sogar im Stehen schlafen könne. Wahnsinn! Ich kann mir Schöneres vorstellen. Also nicht nur, dass ich die Waagerechte der Senkrechten vorziehe, wenn ich mich zu Ruhe lege – es heißt ja nicht umsonst ‚legen‘. Nein, ich kann mir auch etwas Attraktiveres vorstellen als einen Ganzkörperanzug. Allein die Vorstellung eines solchen Schlafdresses löst bei mir das Bild eines Säuglings aus. Und dann auch noch mit Kapuze UND Ohren. Das wiederum beflügelt meine Phantasie und projiziert sofort diverse Szenarien von Kinderfasching in meinen Kopf. Zusammen ergibt es dann das Bild einer Meute schlafender Säuglinge in lustigen Strampelanzügen. Kein Bild was mich jetzt sofort in einen geruhsamen Schlaf versetzen könnte angesichts der Tatsache, dass diese kleinen Wesen auch irgendwann einmal wieder wach werden und dann mörderischen Terz machen. Allein also die Gedanken, die eine solche Schlafklamotte in mir auslösen, würden mich am Schlafen hindern bzw. zumindest einen erholsamen Schlaf unterbinden.

Dennoch möchte ich die Vorliebe für eine derartige Kleiderwahl nicht abwerten. Wer darauf steht (Hihi, steht!!!), der soll seinen Schlafkomfort gern damit verbessern.

Und da gibt es ja noch ganz andere Kandidaten. Die nämlich, die sich an den unmöglichsten Orten zur Ruhe betten. Wie oft hängt jemand nach einer feuchtfröhlichen Party schlafend über der Kloschüssel? Mir unbegreiflich, allein angesichts der geruchlichen Tatsache. Und selbst wenn sie wohl viel zu abgedriftet sind, um den Geruch wahrzunehmen: Spätestens nach dem Erwachen dürfte sich ihre Schlafplatzwahl rächen und in den Gebeinen bemerkbar machen. Guten Morgen Rückenschmerzen! Zumindest mit zunehmendem Alter werden besagte Gliederschmerzen das Erwachen an derartigen Schlafplätzen beschwerlicher machen. Oder sind wir durch die Angewohnheit uns auf anschmiegsame Matratzen zu betten nur verhätschelt? So hatte ich letztes Jahr beim campen mit dünner Isomatte zwar zunächst Probleme mich an all die Wurzeln und Steine in meinem Rücken zu gewöhnen, schlief aber letztendlich besser als zu Hause. Ja, dort vermisste ich die kleinen Huckel regelrecht.

Und Kinder können ja bekanntlich auch immer und überall schlafen. Jedenfalls wenn es sie denn nach einem langen Kampf dagegen wirklich mal ereilt. Dann ereilt es sie aber auch schlagartig, sofort, auf der Stelle. Und das provoziert dann die eigentümlichsten Schlaforte und Positionen hervor. Meine Geschwister waren als Kinder auch solche Kandidaten. Meine Schwester hatte neben dem nächtlichen Erzählen bzw. Schimpfen die Angewohnheit die embryonale Drehung einer Geburt nachzuspielen. Also sich während des Schlafens einmal um 180° zu drehen. An und für sich kein Problem, solange sie allein im Bett war. Durchaus problematisch jedoch in einer Almwanderhütte, bei der zwanzig Menschen wie Ölsardinen auf engstem Raum nebeneinander liegen. In einer großen Koje. Ohne Abtrennungen. Ich meine, wir waren ja daran gewöhnt während des Schlafens neben meiner Schwester hin und wieder Arme, Beine, Hände, Füße oder einen Hintern im Gesicht zu haben, wenn sie sich mal wieder drehte, aber die anderen Bergsteiger… Verstanden da nicht so viel Spaß und so wurde meine arme kleine Schwester kurzerhand auf den Boden verfrachtet. Mein Bruder hingegen hatte eine Vorliebe fürs Hängen. Ober- oder Unterkörper, eines von beiden hing oft aus dem Bett heraus. Und ich? War wohl damals schon ein langweiliger Schlafender. Oder ein Spießiger? Auf jeden Fall gibt es von mir leider nicht so lustige Geschichten. Weder geräuschvolle, noch aktionsreiche. Oder doch? Vielleicht zeichnete sich ja schon damals ab, dass ich nicht schlafen konnte. So hielt ich beispielsweise als Dreijährige nicht den verordneten Mittagsschlaf sondern verging mich stattdessen an der Großpackung Penatencreme, verteilte diese sorgfältig auf meinem Gesicht, versteckte mit hinter einem gelben Vorhang und verkündete, als meine Eltern mich wieder wecken wollten, stolz aber zu deren Entsetzen: „Dolle einetremt!“ Horroffilm lässt grüßen. Vielleicht also schon damals auch ein Zeichen, dass es mich einmal ins Filmgeschäft ziehen würde?

Das allgemeine Bäh

Wie viele traurige, hochtrabende oder auch belustigende Formulierungen gibt es für eine schlechte emotionale Befindlichkeit? Viele! Genauer gesagt sehr viele.

Man kann sich unwohl fühlen. Man kann in ein emotionales Loch gefallen sein. Man kann eine mentale Verstimmung haben, sich wie ein Häuflein Elend fühlen oder ganz modisch ein Burn-Out haben. Man kann sich einfach nur platt und/oder ausgelaugt fühlen. Man kann das Gefühl haben von einem Zug überrollt worden zu sein oder den Holzhammer gleich mehrmals über den Schädel gezogen bekommen zu haben. Man kann ein Down haben, einen Tiefpunkt erreicht haben und, und, und… Und jeder hat eine Vorstellung davon, wie es einem Menschen geht, der unter einem oder mehrerer dieser Dinge leidet. Nämlich nicht gut. Gar nicht gut.

Doch wie oft werden diese Begrifflichkeiten arglos verwendet für Zustände die zwar unangenehm und mental stressig sind, nicht jedoch wirklich schlimm/fatal – wie es ja bei einer Depression durchaus ist. Denn der Mensch neigt dazu selbst kleinste seelische Verstimmungen zu dramatisieren. Zu jammern. Ist ja auch kein schöner Zustand so ein psychisches Tief. Und ich will die miesen Gefühle die man in solchen Zeiten hat keinesfalls abwerten oder schmälern. Ganz im Gegenteil, in wirklich schwerwiegenden Fällen können derartige Gefühle ja sogar lebensbedrohlich werden. Umso bewundernswerter ist es, wenn man einen Menschen trifft, der das Eine vom Anderen zu unterscheiden weiß. Der trotz des Gefühls sich gerade eher im unteren Emotionsbereich zu befinden, nicht seinen Humor verliert und das Licht am Ende des Tunnels sieht. Wenn auch vielleicht nicht bewusst.

Genau so ist es bei einem sehr lieben Mensch aus meiner näheren Umgebung. Dieser Mensch leidet nämlich laut eigener Aussage nicht an einem der oben genannten Befindlichkeiten. Nein, die Selbstdiagnose dieses Menschen lautet: ‚allgemeines Bäh‘. Ich finde diesen Befund niedlich. Zeigt er doch, dass diese Person bei allem aktuellen Leid ihren Witz und den Bezug zur Realität nicht verloren hat. Sie leidet also an ‚allgemeinem Bäh‘. Nicht an einem konkreten Kopf-, Hals, oder Bauch-Bäh. Sondern schlicht und ergreifend an einem ‚allgemeinen Bäh‘.

Das ‚allgemeine Bäh‘ ist dabei an den gleichen Symptomen wie oben genannte Gemütszustände zu erkennen. Nur eben mit dem Zusatz des Augenzwinkerns. Mit der kleinen Zugabe des Glaubens auf baldige Besserung. Mit einer Prise Selbstironie und dem Wissen, dass es Anderen wohl schlimmer geht.

Und wenn ich so überlege leiden wohl sehr viele Menschen unter einem ‚allgemeinen Bäh‘. Die halbe Welt ist quasi voll von Menschen mit ‚allgemeinem Bäh‘. Nur sehen sie das oft nicht so.

Aber ich denke, es als ‚allgemeines Bäh‘ anzuerkennen ist ein erster Schritt in die richtige Richtung. Nämlich heraus aus dem ‚allgemeinen Bäh‘. Und man muss sich das mal auf der Zunge zergehen lassen: „Was hast du?“ „Allgemeines Bäh!“„Wie geht es dir damit?“ „Bäh, bäh, bäh.“ So ernst die Lage bzw. Verfassung auch ist. Allein die verbale Ausführung dieser Konstitution klingt so komisch, dass man augenblicklich schmunzeln muss. So mussten die liebe Person und ich lachen. Und so ging es besagter Person gleich einen Hauch weniger ‚Bäh‘. Denn Lachen ist ja bekanntlich die beste Medizin.

Ich werde es im Hinterkopf behalten und versuchen mir bei derartigen Gefühlszuständen eine Scheibe dieser Fühl- bzw. Ausdrucksweise abschneiden. Vielleicht ist das ‚Bäh‘ ja dann gleich viel kleiner.

 Und woran leidet ihr so?

Der Tanz

Foto: © Andreas Bauer, 2008

Dreh dich um deine Ängste. Wirf sie aus der Bahn. Bewege die Zweifel fort. Als wärst du in einem Wahn.

Die Melodie im Kopf wird verklingen. Aber du hast dich gerührt. Hast einmal im Leben dich wirklich selbst gespürt.

Gefahrenzone (Teil II)

Eine Reise die ist lustig, eine Reise die ist….

Nachdem ich ja schon von den Tücken des städtischen Verkehrs berichtet habe, möchte ich mich heute einer weiteren Gefahrenzone widmen: Dem Flugverkehr. Ja, so eine Flugreise kann unter ungünstigen Umständen auch die eine oder andere Gefahr bergen. Nicht unbedingt in Form eines anderen Verkehrsteilnehmers, der dir nach dem Leben trachtet. Aber sehr wohl eine Gefahr für das leibliche und vor allem seelische Wohl. Denn auf einem Flug kann so einiges passieren. Und auf dem Weg dorthin definitiv auch. Wie ich jüngst am eigenen Leib erfahren „durfte“…

Urlaub war der Plan. Stressabfall. Erholung. Und dazu begab ich mich mit meiner Reisebegleitung auf besagten Flughafen. Nachdem wir nach endlos langem Anstehen in der Warteschlange endlich am Check-In-Schalter angekommen waren folgte die erste Prüfung für unseren, aufgrund nur weniger Stunden Schlaf, müden Geist. In freudiger Erwartung reichte meine Reisebegleitung die Onlinetickets über die Theke. Doch das eben noch vorhandene Strahlen auf dem Gesicht sollte sogleich der Vergangenheit angehören. „Sie heißen beiden XXX?“ „Äh nein. Das bin nur ich“, war die verwunderte Aufklärung meiner Begleitung. „Aber sie haben zwei Tickets auf den selben Namen gebucht.“ „Äh nein, warum sollte ich?!“, so die erstaunte Antwort. „Doch! Sie haben hier zwei Tickets auf den selben Namen.“, erklärte das Flughafenpersonal und stürmte anschließend ohne ein weiteres Wort mit unseren Unterlagen davon. Unschlüssig was denn nun zu tun sei standen wir vor dem Check-In-Schalter. Die Schlange hinter uns wurde sekündlich länger. Und nach endlos langen Minuten kam die Dame, die eben noch vor uns am Schalter gesessen hatte, wieder angeflitzt, hielt uns einen Zettel mit einer großen Zahl unter die Nase und verkündete frohen Mutes: „Kostet sie 148€!“ Was jetzt, wie jetzt? Sie musste scherzen. Aber der 1.April lag weit hinter uns. Unsere Ungläubigkeit muss wohl auf unserer Stirn zu lesen gewesen sein, denn sie fügte hinzu: „Na das umbuchen auf den anderen Namen.“ Mein erster Gedanke war keiner. Da war nur Vakuum. Die Hirnsynapsen meiner Begleitung waren zu dieser frühen Morgenstunde wohl schon aktiver, denn schlagartig verfinsterte sich die Miene und eine hitzige Diskussion über Problemverursacher und Problemlösung entbrannte. Doch es half alles nichts. Es gab nur zwei Wahlmöglichkeiten: Urlaub ade oder eben tief in den Geldbeutel greifen. Und so hastete meine Begleitung los um die finanzielle Hürde zu unserem wohlverdienten Urlaub zu bezwingen. Nach nur wenigen Minuten kehrte meine Begleitung zurück. Nicht jedoch mit einem zurückgekehrten Strahlen im Gesicht sondern mit den Nerven nun völlig am Ende: „Kreditkarte geht heute nicht, wir müssen in bar zahlen. Hast du noch Geld?

Nachdem wir es nach weiteren 20 Minuten endlich geschafft hatten, unser Reisegepäck um einige Scheine leichter, aber wenigstens um die heißbegehrte Boardkarte reicher war, ging es auf zum Sicherheitscheck. Dort angekommen empfing uns die Freundlichkeit in Person. Ein bissig, kläffendes Etwas mit Detektorenstab. Denn natürlich sprang bei mir der Alarm an. Nachdem mir die angriffslustige Dame mit ihrem Detektorstab nahezu überall an meinem Körper herumgerubbelt hatte blöckte sie: „Gürtel.“ Was Gürtel? Ja, ich besitze einen. Aber rede doch mal in vollständigen Sätzen, dachte ich mir und schaute die Frau auffordernd an. Da die werte Dame jedoch keine Anstalten machte, weitere Auskünfte darüber zu geben, was ich mit meinem Gürtel machen sollte, zog ich ihn einfach aus. Kannte ich diese Prozedur doch bereits von anderen Flugreisen und wollte ihr entgegenkommen. Doch weit gefehlt. Augenblicklich bellte sie mich böse an: „Hab‘ ich was von ausziehen gesagt?“ So langsam wurde nun auch mein Geist hellwach und wütend. Am liebsten hätte er besagten Gürtel genommen und knallend auf dem Hintern dieser unfreundlichen Misses-stell-dich-an platziert. Doch ich bin ja ein emphatischer und beherrschter Mensch. Und so besänftigte ich meinen Geist: Vielleicht hat sie einen schlechten Tag. Immerhin muss sie hier stehen und arbeiten, während wir gleich in den Flieger steigen und verreisen. Ich verkniff mir also einen bösen Kommentar und anderweitig scheußliche Reaktionen und zog den Gürtel wieder an. Und dann fragte sie mich doch tatsächlich mit einem derartig abschätzigen Ton: „Aber Deutsch können sie schon?“ Äh ja, aber nicht für dich, denn ich spreche nicht mit jedem. Vor allem nicht mit Unfreundlichkeiten in Person, dachte ich mir, beschloss aber erneut ihre vermeintliche Erkenntnis nicht zu enttäuschen und ging ohne sie darüber aufzuklären meiner Wege. Sollte sie doch wenigstens ein kleines, wenn auch unwahres Erfolgserlebnis haben heute.

Dank der unangemeldeten Tuchfühlung hieß es nun Füße in die Hand nehmen und auf zum Gate, denn gerade wurde die letzte Chance zum Boarding ausgerufen. Der von meiner Begleitung sehnsüchtig herbeigesehnte Schnaps musste warten.

Und schließlich hatten wir es geschafft. Wir saßen. Tief durchatmen sagte ich meiner Begleitung. Nun kann es nur noch besser werden. Weit gefehlt… Das Durchatmen ließ uns direkt vor uns eine Alkoholleiche orten. Nacht durchgefeiert und gleich in den Flieger, war unsere Vermutung. Gut, soll er machen, aber bitte ohne derartige Körperausdünstungen. Der Geruch war unangenehm, aber nicht das Schlimmste. Die Härte waren seine Alko-PUps. Wat ‘ne Freude für unsere sensiblen Riechorgane an seinem gestrigen Abend teilhaben zu dürfen. Puh!!! Aber man gewöhnt sich ja bekanntlich an alles und so arrangierten wir uns auch damit. Hingen unseren Gedanken hinterher. Dämmerten vor uns hin und träumten schon mal vom baldig erreichten Ziel, von Sonne, Spaß und guter Laune. Das aufkommende Rütteln wiegte uns wohlig hin und her. Bis es sich zu einem Schütteln verstärkte. Das Gefühl vom Massagestuhl war dahin, ersetzt vom Gefühl der Achterbahnfahrt. Wou! Wo kam das denn jetzt her? Naja, nicht weiter tragisch. So ein bisschen Gaudi is‘ doch ganz schön, oder? Nach all der Dramatik vorhin. Unser Flugbegleiterpersonal sah das scheinbar anders, denn just in diesem Moment schalteten sie sich via Sprechfunk ein, um uns mitzuteilen: „Bitte nehmen sie ihre Plätze ein und schnallen sie sich an. […] Sie können die Toilette auf eigene Gefahr aufsuchen.“ Wie jetzt? Und wenn mich die nächste Windböhe in den Gang schleudert lassen sie mich da liegen bis wir ohnehin abstürzen oder wieder heil gelandet sind? Und was ist mit denen die mal ganz dringlich müssen? Die sollen jetzt lieber alle einsch…? Ich hatte den Gedanken noch nicht einmal beendet, da stieg mir ein beißender Geruch in die Nase. Augenblicklich drehte sich mir der Magen um. Bloß gut, dass dieser noch nichts beinhaltete. Was war das nur? Es roch wie sauer gewordene Milch, wie… Und dann hatten wir den Übeltäter auch schon im Visier. Babykotze. Auch direkt vor uns. Doch nicht etwa in die dafür vorhergesehene Papiertüte. Nein, schön über die Mama und den eigenen kleinen Leib. Luft anhaltend und Nase zuhaltend versuchte ich das augenblicklich aufkeimende Übelgefühl zu unterbinden. Bis Mama sich entschied den Sitz zu wechseln und sich auf dem freien Platz neben mir niederzulassen. Schließlich musste Papa den Tatort erst einmal reinigen. Und da saß sie also direkt neben uns, die Stinkbombe. Und voller Freude erklärte uns Mama: „Sie hat ihren eigenen Smoothie hergestellt. Vorhin eine große Milch und jetzt Saft.“ Herzlichen Dank für die detaillierte Auskunft über die Gärungsprozesse deines Kindes und nein danke lieber Flugbegleiter, ich möchte kein Getränk oder etwas zu Essen kaufen.

Liebe Hormone!

Kennt ihr das? Die regelmäßig anfallenden Momente/Tage/Wochen Herz im Monat, in denen man von sentimentalen Anfällen, Sehnsüchten und emotionalen Ausbrüchen geradezu geschüttelt wird? Und alles nur, weil die Hormone launisch sind und nach einem kurzen Hoch ins nächste Tief abrutschen. Was kann ich denn dafür, dass ihr so sensibel seid? Also bitte lasst das gefälligst nicht an mir aus! Letztlich wäre das ja aber noch zu ertragen. Viel schlimmer ist es, dass diese Diven auch noch meinen in regelmäßigen Abständen ein Verhalten an den Tag legen zu müssen, was einen hin und wieder zu einer lächerlichen Marionette werden lässt. So kann das nicht weitergehen habe ich beschlossen. Und da Kommunikation ja oft der erste Schritt zur Klärung eines Problems ist, habe ich mir die Zeit genommen um mit den werten Untermietern in Kontakt zu treten. Immerhin hausen sie für günstige Konditionen und könnten sich deshalb auch mal an ein paar Regeln halten. Leider sind die Damen und Herren so mit all ihren Eskapaden ausgelastet, dass man sie einfach nicht ans Telefon bekommt. Irgendjemand und irgendwann muss aber mal auf den Tisch gehauen werden, also her mit dem guten, alten Brief.

Liebe Hormone,

um gleich mal vorweg eines klarzustellen: Ihr geht mir gehörig auf den Zeiger! Wie lange kennen wir uns jetzt bereits, fast 30 Jahre?! Da solltet ihr mich also besser kennen oder habt ihr Spaß daran mich zu verärgern? Denn irgendwie macht ihr immer genau das, was ich am wenigsten in ohnehin brenzligen Situationen gebrauchen kann. Natürlich nicht immer, hin und wieder hatten wir auch eine ganz gute Zeit. Aber das war irgendwie mal. Beziehungsweise schafft ihr es immer dann, wenn ich gerade wieder mühsam Vertrauen in euch erarbeitet habe, dieses sofort wieder einzureißen. In letzter Zeit liegt ihr nämlich leider ziemlich oft ziemlich daneben. Und treibt mich damit in regelmäßigen Abständen in den Wahnsinn.

Ich habe lange nichts gesagt, denn ich bin ein sehr leidensfähiger Mensch, aber nun is‘ auch mal genug. Immerhin biete ich euch sehr kostengünstig eine nette Unterkunft. Da wäre wohl ein wenig Rücksicht angebracht. Also was versprecht ihr euch davon, eurer Heim in regelmäßigen Abständen in eine Gefahrenzone zu verwandeln? Steht ihr auf den Nervenkitzel? Das würde mich wirklich mal interessieren. Wenn ich nun solche Manieren an den Tag legen würde. Also mal Klartext…

Warum zum Beispiel seid ihr so leicht zu verstimmen? Es nervt, dass ihr von jetzt auf gleich von himmelhochjauchzend zu zutodebetrübt switchen könnt. Wer soll denn da mitkommen? Ein Lied, ein Wort, ein Blick, eine Geste, was auch immer und ihr spielt verrückt und verwandelt mich in Sekundenschnelle von der eben noch friedfertig, strahlenden miss sophie in ein marginales Häufchen Elend, dass mit aller Gewalt gegen aufsteigende Wut, Verletzung, Sentimentalität, etc. ankämpfen muss, um nicht augenblicklich irgendwelche Dummheiten zu begehen, Gefühlsausbrüchen zu unterliegen und damit zu allem Überfluss gegebenenfalls ein noch jämmerlicheres Bild abzugeben. Und was fällt euch dann zum Trost ein: Hunger. Und was mache ich um euch wieder zu besänftigen: essen. Und dann? Dann setzt nicht etwa die Genesung ein sondern der pure Stress. Denn was bleibt ist ein schlechtes Gewissen gegenüber meiner körperlichen Konstitution und meinem Geldbeutel, welcher dann wieder einmal gähnende Leere offenbart, weil ihr mich zu später Stunde von meiner gemütlichen Couch hochpeitscht und zum nächsten überteuerten Spätkauf treibt.

Nennenswert sind auch Situationen der Entscheidung. Habe ich einen Entschluss gefasst, kann ich quasi die Minuten an einer Hand abzählen, bis ihr aufmuckt und irgendein Gegenargument hervorzaubert. Und wenn ich dann so nett bin, dieses zu prüfen und vielleicht sogar für ein gutes Argument zu erachten, habt ihr euch schon wieder anders entschieden. Ja, ne, vielleicht, ich weiß nicht. So wird das nichts Freunde. Das bringt letztlich nur komplette Verwirrung und einen körperlich wie emotional äußerst haarsträubenden Zustand: Nämlich wie Drahtseil gespannte Nerven und Unzufriedenheit.

Völlig idiotisch verhaltet ihr euch übrigens auch jedes Mal, wenn ich einen Mann auch nur ansatzweise interessant finde. Denn wenn ihr mal zuschlagt, dann mit Karacho, aber ohne mich vorher mal zu fragen. Was ich jedoch am wenigsten verstehe und mir regelmäßig böse Schimpfwörter ins Gehirn treibt: Wenn ihr mir dann ein paar Glücksmomente habt zuteil werden lassen und merkt, dass ich mich eurem Interesse beuge, dann zieht ihr entweder die Notbremse oder lasst mich schön gegen die Wand rennen. Natürlich auch mit Höchstgeschwindigkeit. Super wie ihr es in solchen Fällen schafft aus mir einen undurchschaubares Etwas zu machen, vor dem jeder noch so tapfere Krieger die weiße Flagge hissen muss. Oder aber mich an völlig aussichtslosen Situationen die Zähne ausbeißen und Dummheiten machen lasst, die eindeutig belegen, dass ich – oder sollte ich besser sagen ihr – wohl den Verstand verloren haben muss/müsst. Aber anstatt mir danach über den Verlust hinweg zu helfen, ihr biestigen Scheusale, macht ihr mich dann zu einem emotional verstimmten, sich in Selbstmitleid (was für eine fürchterliche Eigenschaft!!!) auflösenden Jammerlappen.

Ich werde jedenfalls das Gefühl nicht los, dass ihr all zu oft nicht wisst was ihr wollt. Und wenn ihr schon auf derartige Achterbahnfahrten steht, dann habt danach zumindest auch den Arsch in der Hose und helft mir bei der Schadensbegrenzung. Schließlich bin ich euer Heim und ihr solltet ein Interesse daran haben dies nicht zu zerstören. Oder wollt ihr auf der Straße landen? An dieser Stelle ist es nun angebracht mal mahnend den Zeigefinger zu erheben und zu predigen: Werdet euch doch bitte erst einmal selbst darüber klar was ihr wollt, bevor ihr andere – in diesem Fall mich – da mit reinzieht. Schließlich bin letztlich ich diejenige, die da mit ihrem Gesicht steht, die ihren Kopf hinhalten muss. Ihr hingegen könnt euch schön dahinter verstecken. Also behandelt mich bitte auch dementsprechend und tanzt mir nicht auf der Nase herum. Und da wir noch ein paar gemeinsame Jahre vor uns haben würde ich deshalb vorschlagen, dass ihr euch mal ein wenig zusammenreißt. Wäre das möglich? Anderenfalls muss ich wohl härtere Sanktionen ergreifen.

Also Freunde! Ein Vorschlag zur Güte, denn ich bin ja im Grunde meines Herzens ein sehr friedfertiges und harmoniebedachtes Wesen: Wenn ihr schon nicht weichen wollt, könnt oder wie auch immer, dann helft doch stattdessen mal zwischen mir und den von euch provozierten Emotionen zu vermitteln! Wie wär’s damit? Akzeptieren, dass es so ist wie es ist, ohne große Erklärungen dafür zu suchen? Vielleicht sogar mal den Gedanken Flügel verleihen? Denn Verstand nicht das Gespür kontrollieren lassen? Das würde zumindest meinem Selbsterhaltungstrieb etwas entgegenkommen, denn ich habe keine Lust mich jedes Mal nach euren Eskapaden neu aufbauen zu müssen.

In diesem Sinne verbleibe ich mit HERZlichen Grüßen und gelobe Nachsicht, wenn ihr Besserung gelobt :)

Eure miss sophie

Gefahrenzone (Teil I)

Ich muss wohl lebensmüde sein, und mit mir Millionen Andere. Schließlich setzten wir uns tagtäglich der Gefahrenzone schlechthin aus. Dem Großstadtverkehr. Besonders gefährdet sind Radfahrer. Denn die sind das liebste Spielzeug der Autofahrer.

Eigentlich gibt es ja Regeln. Aber irgendwie leben wohl alle nach dem Motto: ‚Regeln sind da, um gebrochen zu werden.‘ Jedenfalls hält sich kaum einer daran. Ampeln? Was ist das? Ach, die schönen bunten Lichter an den Straßenkreuzungen? Ich dachte das wäre der Testlauf für die nächste Weihnachtsdeko. Bzw. das war noch nicht rot, das war ‚kirschgrün‘. Zebrastreifen? Anhalten? Hm, ich dachte da hätte sich ein Streetart-Künstler ausgetobt. Auf Radfahrer und Fußgänger achten? Wieso, ich bin hier der Stärkere mit meinem Auto und außerdem wollte ich schon immer eine lebensechte Kühlerfigur.

Tja… Da wird so manche Straße zur Rennstrecke, so mancher Gehweg zum Todespfad und alles was man sich wünschen kann, wenn man den geliebten Drahtesel besteigt oder den Fuß vor die Tür setzt ist: ‚Hals und Beinbruch!‘ Und das im wahrsten Sinne des Wortes. Denn wie schnell passiert es, dass man von einem ausparkenden Auto einfach mal so mitgenommen wird. „Wirklich freundlich von Ihnen, dass sie mich schneller an mein Ziel bringen wollen, aber eigentlich war mein Ziel nicht das nächstbeste Krankenhaus.“ So geschehen im letzten Jahr.

Ich war gerade auf dem Weg zur Schwimmhalle. Der morgendliche Dunst stieg auf und ich fuhr guter Dinge, denn in der frohen Hoffnung mich gleich in die Fluten stürzen zu können, einen markierten Radweg auf einer Straße entlang. Als plötzlich vom angrenzenden Gehweg rückwärts ein Auto auf mich zuschoss. Mein erster Gedanke war: „Jetzt ist alles vorbei.“ Und im Angesicht des Todes schloss ich instinktiv die Augen und sprang vom Rad. Mein Rettung, denn so erwischte mich der Autofahrer nur seitlich und nicht frontal und ich kam mit einer gebrochenen Rippe, allerlei Schmerzen und einem großen Schock davon.

Ähnliches ereignete sich gerade erst vor ein paar Tagen, als ein Auto meinte mich mitten auf der Kreuzung dem Asphalt angleichen zu müssen. Ich sage nur ‚Handy am Steuer‘. Alle denken sie haben es im Griff und dann? Haben sie eine neue Kühlerfigur in Form eines Radfahrers vorn auf, nur weil sie in alle Himmelsrichtungen schauen, nur nicht auf die Straße. Und ich erlitt einen mittelschweren Herzstillstand und war froh über meine schnelle Reaktionsgabe und dass ich beim Herumreißen meines Lenkers nicht auch noch in die Spur der Straßenbahn geriet.

Herzallerliebst und meine besten Freunde sind auch diejenigen unter den Autofahrern, die nach dem Einparken einfach mal so ihre Tür aufreißen ohne zu gucken. Auch hier kann man jedem Radfahrer nur wünschen: ‚Guten Flug!‘ Oder eben eine schnelle Reaktion. Blöd nur, wenn hinter einem ein Auto kommt. Dann hat man also die Qual der Wahl: Frontal auf eine Autotür prallen oder rittlings auf einer Kühlerhaube zu sitzen. Ich kann mir schöneres vorstellen. Und so erleide ich also regelmäßig mittelschwere bis große Herzinfarkte, mein Herz setzt in regelmäßigen Abständen kurzzeitig aus oder beschleunigt zumindest seinen Takt oder ich sterbe kleine und größere Tode.

Neben diesen Endzeitszenarien gibt es aber auch allerhand Situationen, in denen man einfach nur…Ja was eigentlich? Lachen muss, den Kopf schüttelt, schockiert aus der Wäsche blickt, …?

So geschah mir beispielsweise gestern Folgendes. Ich quälte mich gerade, vor Kälte bibbernd mit meinen lieben Drahtesel den Berg hoch. Im Rücken spürte ich ein herannahendes Auto.  Nichts Besonderes in einer Großstadt und noch dazu auf einer Hauptverkehrsstraße, dachte ich und strampelte weiter. Aber das Auto blieb hinter mir, anstatt mich zu überholen. Ich dachte mir meinen Teil, immerhin fuhr ich auf einer dreispurigen Straße und alle Spuren waren frei. Warum überholt der nicht einfach? Naja, sein Problem. Ich strampelte und kämpfte mit den Tränen, die mir der kalte Fahrtwind in die Augen trieb. Und dann hupte es hinter mir. Und ich? Schüttelte gedanklich fassungslos den Kopf. „Davon geht’s auch nicht schneller, oder erwartest du, dass ich augenblicklich vom Rad springe? Würde dir aber auch nichts bringen, wäre ich immernoch auf der Spur, also fahr doch einfach vorbei du Honk!“ Also ist es denn zu fassen? Aber er tat es nicht, sondern tuckerte so lange hinter mir her, bis etwas weiter oben am Berg ein Radweg begann auf den ich ausweichen konnte. Selbst Schuld dachte ich mir, denn noch immer war kein einziges anderes Auto an mir vorbeigefahren und demnach auch keines an ihm, was ihn hätte daran hindern können mich zu überholen. Vielleicht ist er neurotisch dachte ich mir und grinste in mich hinein. Soll es ja geben. Ehrlich! Oder kennt ihr nicht die Geschichten von Menschen, die beispielsweise den Tick haben immer auf einer Linie laufen zu müssen, oder eben keine Linie betreten zu dürfen. Vielleicht hatte er ja den Spleen unbedingt diese Fahrspur benutzen zu müssen. Denn nein, er bog an der Kreuzung nicht rechts ab.

Aber das Allerschlimmste daran ist ja… es steckt an. Man wird auch selbst zum Verkehrsrowdy, zum Fahrneurotiker, zum Ungeduldigen.  So ertappe ich mich hin und wieder dabei, wie ich ungeduldig Slalom um ausparkende Autos fahre, wenn diese sich mal wieder gegenseitig beim Ausparken blockieren und ein nahendes Aufgeben im Kampf ‚Wer schlägt sich nun zuerst seine Presche‘ nicht in Sicht ist. Ja Mensch, ich hab’s eben eilig und es inzwischen ist es draußen ja auch wieder a…kalt. Und die sitzen da drinnen in einem warmen Auto und kommen eh kein Stück vor und zurück. Also schlängele ich mich eben gekonnt hindurch. Ich weiß, dass ist keine Entschuldigung und so macht man sich hin und wieder wohl auch selbst zum Freiwild.

Ich habe deshalb bereits des Öfteren überlegt, ob ich mir zumindest eine dieser wunderschönen Kopfbedeckungen zulege. Ja genau, ich meine einen Fahrradhelm. Aber irgendwie habe ich da traumatische Erinnerungen an meine Kindheit. Ich war nämlich unfreiwillige Besitzerin eines Styroporfahrradhelms, der nicht nur unförmig und monströs war, sondern zu allem Überfluss auch noch mit neonorangem, filzähnlichem Bezug. Grauenhaft. Und ich würde mal behaupten in der Not auch nicht wirklich Schutz bietend. Mein Bruder hingegen hatte ein wunderbar sportliches Modell. Nun könnte ich mir ja heute auch ein sportlicheres Modell zulegen oder eines dieser Hipster-Modelle, mit denen grad all die hippen Rennradfahrer durch die Stadt cruisen. Aber irgendwas hemmt mich. Was nur?

Ich werde also noch einmal tief in mich gehen, all die Erlebnisse auf mich niederprasseln lassen und dann entscheiden ob es mir wichtiger ist mit wenig Ballast und hübsch anzusehen durch die Stadt zu schlingern, oder aber mich zumindest minimal geschützt in die Gefahrenzone zu begeben.