Ich war ins kalte Wasser gesprungen. Ich hatte auf einige meiner Onlinedating-Anfragen geantwortet und ich hatte auch selbst ein paar Männer angeschrieben. Wirklich nur ein paar, denn mir fiel auf, dass ich einfach nicht ohne einen Anknüpfungspunkt kommunizieren konnte und wollte.
Ein einfaches „Hallo“ wäre mir zu belanglos und plump vorgekommen. Schließlich fand ich Anfragen dieser Art selbst nichtssagend. Deshalb verstand ich nun auch den Sinn der absurden Fragen, die ich zu Beginn meiner Anmeldung ausfüllen musste. Hier lagen sie. Die Möglichkeiten für einen Konversationsbeginn. Und auch wenn es da ein paar Männer gab, die Übereinstimmungen aufwiesen, bei deren Angaben ich grinsen oder nicken musste… Irgendwas war meist, was mich zögern ließ. Und wenn ich erstmal zögerte, dann war es auch schon zu spät. Also musste ich ebenfalls feststellen, dass wohl etwas dran ist, an dem Vorurteil mir gegenüber, dass ich zu wählerisch bin. Man hatte hier aber auch die Möglichkeit sehr wählerisch zu sein. Und wie sich heraussstellte, sollte man dies auch… Aber zurück. In der Tat fand ich nur wenige Aussagen, die sofort etwas in mir auslösten. Die blitzartig eine Frage oder eine lustige Antwort in meinen Kopf zauberten. Wenn dem so war, war der erste Schritt getan und es konnte passieren, dass auch ich mal jemanden anschrieb. Das „Springen in Regenpfützen“ als Sport und Ausdruck von Lebensfreude war zum Beispiel eine solche Aussage. Und dennoch kann ich die Männer die ich anschrieb an einer Hand abzählen. Stattdessen beschränkte ich mich also zunächst darauf den Männern zu antworten die mich anschrieben. Sollten sie doch für ihren Mut belohnt werden
Doch da war schon er schon, der nächste Minuspunkt auf meiner Pro-Contra-Onlinedating-Liste. Denn antwortete man dann also erstmal ganz nett auf ein plumpes „Hallo“ oder ähnliches, kam oft nichts mehr zurück. Meine lieben Herren, das erweckt leider den Eindruck als würdet ihr erstmal wahllos alle möglichen Frauen anschreiben, in der Hoffnung, dass sie antworten und euch dann eine rauszupicken. Das Gefühl eine Fehlentscheidung oder nur zweite Wahl zu sein bestärkt jedoch nicht unbedingt die Pro-Seite der Liste. Aber ich will ja gar nicht meckern, wer weiß was mir dadurch alles erspart geblieben ist. Denn das, was sich dann an „Gesprächen“ entwickelte, war ein Graus.
Und wie sollte es anders sein, auch im Verlauf der Konversation lassen sich bestimmte Typen herauslesen. Die bei mir nachdrücklich im Gedächtnis verankerten, will ich mal wieder zusammenfassen um meine Vorurteile gegenüber Onlinedating zu untermauern. Denn ich echauffiere mich ja nicht einfach so. Auch wenn das der eine oder andere denken mag. Ich meckere auf der Basis fundierter Recherche. Hier folgend nun zu den verschiedenen Kommunikationstypen.
Der Falschversteher erklärt gern seine eigenen Nachrichten, Humor ist bei ihm an der falschen Adresse, er versteht ihn nicht und schmettert deshalb Antworten wie: „Ich bin schlauer als du denkst!“ Wenn man dann einen neuen humorvollen Versuch startet und beispielsweise darauf antwortet: „Woher willst du wissen für wie schlau ich dich halte? ;)“, verkennt er den Humor abermals, ist stattdessen beleidigt und wird ausfallend: „Wie kommst du dazu so mit mir zu reden. Ich bin sehr wohl ein intellektueller Typ der weiß was er will […]“ gefolgt von einem bösen Schwall Worte über Spielchen, Loser und Winner. Und natürlich der abschließenden Erkenntnis, dass ich der Loser bin und er sich entschuldigt, dass er mich gekränkt hat. HÄÄÄÄ???? Ich sage dazu nichts mehr, schüttele nur den Kopf und denke mir einmal mehr: nur Idioten unterwegs… Also echt mal…. So krass kann man doch gar nicht aneinander vorbeireden.
Der Schürzenjäger hingegen schreibt immer wieder das Gleiche. Im Wortlaut. Das erweckt den Anschein, als hätte er ein Kontingent an vorgefertigten Nachrichten, die er dann mit geändertem (oder auch nicht) Namen an seine Auserwählten herausschickt. Wieder andere schreiben dir, obwohl du ihnen schon geantwortet hast, im wöchentlichen Takt dreimal die gleiche Mail. Ebenfalls im Wortlaut. Bei der zweiten dachte ich noch: Ok, hat er wohl verbaselt. Nett wie ich bin (so jedenfalls die Annahme, da auch das eine der beliebtesten Erstkontakte an mich war „Du siehst nett aus“), antwortete ich eben noch mal auf die selben Fragen. Beim dritten Mal allerdings siegte dann doch mein Misstrauen. Der Mann: Modeltyp. Italiener. Schön. Nicht mein Geschmack, aber schön. Die meisten Frauen würden wohl auf ihn fliegen. Bei mir keimte jedoch das Vorurteil gegenüber Latinlovern auf: Schürzenjäger. Ich dachte mir also: Ich bin ja nett und habe nichts zu verlieren, antwortete also: „Das hast du mich schon mal gefragt ;)“ Die Antwort darauf: „Also wollen wir telefonieren?“ Auch das hatte er schon mehrmals gefragt. Und auch das teilte ich ihm mit, mit dem Hinweis, dass ich langsam das Gefühl bekomme mit einer Wand zu reden. Natürlich netter formuliert. Oder doch eher mit einem computergenerierten Account? Mein Misstrauen war auf jeden Fall geweckt. Es schien als würde er den Überblick verlieren. Als würde er allen Frauen die gleichen vorgefertigten Mails schreiben und gar nicht mehr durchsehen, welche Frau ihm bereits geantwortet hatte. Seine Antwort auf meinen Hinweis war wiederum folgende Erklärung: Er wolle mich eben einfach unbedingt kennenlernen. Aber wenn ich nicht will, werde ich wohl als alte Jungfer enden, denn er sei nun mal der Richtige für mich. Was sagt man dazu? Also ich für meinen Teil sagte lieber gar nichts mehr. Ich lass mich doch hier nicht verarschen… Bzw. wahrscheinlich hatte ich das bereits…
Der schlechte Verlierer oder oft auch damit einhergehende frauenfeindliche Chauvinist wird beleidigend wenn man nicht so will, wie er will. Sie treffen innerhalb des Mailvekehrs immer wieder Aussagen, die vermuten lassen, dass sie Frauen und Männer nicht auf eine Stufe stellen. Dass sie Frauen nur fürs Bett oder den Haushalt suchen. Wenn man ihnen dann ein Treffen abschlägt, können sie nicht damit umgehen. Stattdessen drehen sie frei und Frau darf sich dann auch hier wüste Beschimpfungen anhören. Beschimpfungen, die unter die Gürtellinie gehen. Eine ganz besonders „nette“ Aussage habe ich mal für euch aufgehoben: „Vorher hatte ich ja immer ne Vagina im Kopf, aber jetzt kann ich’s dir ja sagen: Aus dir wird nie was.“ Zwei Tage später von dem selben Mann dann ein Nachtrag: „Egal. Komm rum, mach dich nützlich.“ Sachma hackt’s? Glauben diese Männer tatsächlich, dass sie eine Frau rumbekommen, wenn sie sie derartig beleidigen? Haben bzw. hatten sie damit schon Erfolg? Und das war nicht die einzige Erfahrung dieser Art, bei weitem nicht. Da danke ich doch meinem gesunden Menschengespür und mache drei Kreuze, dass ich diesen jemand nicht näher kennengelernt habe.
Und dann gibt es in dieser Kategorie auch diejenigen, die dich sofort mit Beleidigungen bombadieren. „Deine Fotos sehen so aus als würdest du absichtlich unsexy sein wollen.“, „Hast du keine besseren Fotos“, „Du bist sicherlich prüde.“, „So wie du schaust, vergrauslt du doch alle.“, etc. Und danach wundern sie sich, dass du ihre Bitte abschlägst in ihrem Hotelzimmer zum Schäferstündchen vorbeizuschauen. Hallo, ich bin doch prüde!!! Hat man da noch Worte? Also ich für meinen Teil sah nur alle meine Warnblinkanlagen schwirren und fühlte mich aufs Neue bestätigt.
Der Drängler wiederum schreibt jeden Tag irgendwas Belangloses worauf man mit der Zeit auch nicht mehr wirklich antworten kann und will. Sie schreiben trotzdem weiter, werden aber immer fordernder und vorwurfsvoller. Irgendwann kommen dann Fragen wie: „Habe ich was falsch gemacht?“ Ich versuchte ihm klar zu machen, dass ich nicht rund um die Uhr in diesem Portal verweilte, da ich auch noch andere Dinge zu tun hatte und ich ehrlich gesagt auch nicht so darauf stehe, wenn man mich drängelt. Seine Reaktion daraufhin: „Ach, eine Mail täglich is der Dame also schon zu viel. Schnepfe.“ Und noch ehe ich antworten konnte, dass der Ton die Musik macht und vorwurfsvolle Nachrichten nicht unbedingt dazu beitragen, dass ich den Menschen kennenlernen möchte, hatte er mich bereits auf seine Sperrliste gesetzt.
Der scheinheilige Missionar hingegen beginnt dich nach einem eigentlich ganz guten Auftakt missionieren zu wollen. Zunächst stellt er interessiert Fragen und bewundert dein Tun. Nach und nach offenbart er dir, dass er ja ein Frauenversteher sei. Jemand, den man mitunter Womanizer nennt. Er gebe sogar Kurse und habe schon vielen Frauen zu mehr Glück in der Liebe verholfen. Ähm halt mal… Ich bin hier nicht eine deiner Kundinnen!!! Ich ging auf Abstand, doch er hörte gar nicht mehr auf. Er hatte sich wohl so richtig in Fahrt geschrieben. Denn nun musste auch noch mein Werdegang dran glauben. Er versuchte mir tatsächlich einzureden, dass ich mit einem anderen Job besser dran wäre und ließ einfach nicht locker. Hilfe!!! Stohoppp!!! Und das sagte ich ihm dann auch. Ich sagte ihm ganz höflich, dass mir das Gespräch gerade in eine falsche Richtung ging und ich davon absehen würde ihn noch näher kennenzulernen. Da fragt man sich doch echt… Wie krass, Onlinedating-Plattformen als potenzielle Arbeitsbörsen. Da suchen so Coaches hier also ihre Kunden. Wie niederträchtig! Ob das legal ist? Und auch seine abschließende Reaktion auf meinen Rückzieher war nicht gerade nett…
Gab es denn hier nur Verrückte, Lügner und mehr Schein als Sein? Bei meinen Erfahrungen frage ich mich doch: Haben diese Männer wirklich alle nur Sex im Kopf? Denn kaum bekommen sie eine Abfuhr, verlieren sie jegliche Manieren und führen sich auf wie der letzte A…A…A…Allerwerteste? Also das ist definitiv nicht meins. Warum setzte ich mich freiwillig so etwas aus? Ich musste wohl ebenfalls verrückt sein… Denn auch wenn mir diese Männer wohl letztlich alle egal waren, setzten diese Erfahrungen mir und meinem Selbstbewusstsein zu. Einmal mehr machte ich mir Gedanken um meine Ausstrahlung. Was, wenn es wirklich an mir lag? Wenn ich irgendwas ausstrahlte und suggerierte, was genau diese Art Typen anlockte? Hilfe!!! Vielleicht brauchte ich ja wirklich einen Coach…
Die Erkenntnis
Und wie war es nun bei den Männern, die ich selbst angeschrieben hatte? Ich muss gestehen, es waren nur zwei. Aber ich war ja eben nicht auf der Suche nach irgendjemand oder einem schnellen Abenteuer. Immerhin bekam ich von den beiden, die ich angeschrieben hatte eine Antwort. Das ja war ja schon mal was. Und auch die Unterhaltungen waren ganz nett. Dennoch, der Deckel für den Topf war nicht dabei. Wie hatte meine Freundin gesagt: Männer sprechen oft nur Frauen aus einer höheren Liga an. Und wie ich nun zu allem Übel feststellen musste: Spricht man als Frau dann selbst Männer aus der eigenen Liga an, bekommt man früher oder später einen Korb. Denn auch sie sind natürlich auf der Suche in der nächst höheren Liga…
Ich für meinen Teil war nun also nicht nur schockiert über die vielen unsäglichen Beschimpfungen, die ich hier über mich ergehen lassen musste. Sondern verlor so langsam auch den letzten Funke einer nie vorhandenen Überzeugung, dass ich hier potenzielle Partner kennenlernen könnte. Und was machte ich nun mit dieser Erkenntnis? Ich ging erst einmal in mich…
Fortsetzung folgt…