No risk BUT fun

Vor Kurzem hatte ich ein Gespräch über menschliches Handeln. Menschliches Handeln in Bezug auf die eigenen Gefühle und die von anderen. Kurzum: menschliches Handeln in der Phase des Kennen- und Liebenlernens.

Und schnell kamen wir zu der Frage: Was ist los in der Welt? Warum bekommen immer mehr Menschen schiss vor ihrer eigenen Courage. Detaillierter gesagt: Schiss vor ihren eigenen Gefühlen. Warum verlässt viele der Mut genau an der Stelle, wo etwas Aufrichtiges beginnt?

Da treffen sich zwei Menschen, sind fasziniert voneinander. Lernen sich kennen. Vielleicht ein wenig  schnell, weil die Faszination sie all ihre Ängste über Board werfen lässt. Sie genießen den Moment. Und dann ganz plötzlich und unverhofft schlägt er zu, der kleine Teufel Furcht. Dann verlässt sie der Mut und das eben noch positiv Empfundene lähmt. Meist nur einen von beiden. Und deshalb bitter für den anderen. Der nun dasitzt und sich fragt: Was ist passiert? Eben sagtest du noch „Alles wird gut“. Und plötzlich? Keine Nachricht, keine Antwort. Kein Interesse?

Mein Gesprächspartner war der Meinung, dass viele Menschen ihr eigenes Tun null reflektieren und ihnen deshalb auch nicht auffällt, dass sie andere Menschen damit möglicherweise verletzten. Sie wollen Spaß. Spaß aber keine Verpflichtung. No risk but fun. Und so schieben sie ihre Ängste und Macken als Entschuldigung und Erklärung für das plötzliche Ende vor. Denn so müssen sie sich nicht mit sich auseinandersetzen. Das ist wiederum der Grund, weshalb sie auch gar nicht auf die Idee kommen, ihr eigenes Handeln zu hinterfragen. Dadurch fällt ihnen natürlich auch nicht auf, dass Wertschätzung und Respekt dem anderen gegenüber nicht zu ihrem Repertoire gehört. Bzw. es sei ihnen scheißegal….

Meine Idee, dass diese Menschen vielleicht auch einfach nur Schiss vor ihren eignen Gefühlen und Veränderung haben könnten, stellte mein Gesprächspartner mit dem Satz „Ich glaube du schätzt das Denken vieler Menschen viel zu komplex ein!“ in Frage. Und ich kam ins Grübeln. Denn sollte das tatsächlich so sein, wäre das ziemlich trostlos. Und deshalb möchte ich auch einfach nicht an diese Variante glauben. Oder sagen wir: Nicht alle über diesen Kamm scheren. Ich stimme ihm in sofern zu, dass es sicherlich derart egomane Menschen gibt. Aber ich möchte auch daran glauben, dass es andere Gründe für derlei Verhalten gibt. Einfach weil ich nicht daran glauben möchte, dass unsere Gesellschaft schon so weit „verkommen“ ist. Und auch weil die andere Denkweise bedeuten würde, dass es keine Hoffnung mehr gibt. Ich möchte aber die Hoffnung darin nicht verlieren, dass ein Mensch sich ändern kann. Dass er nicht nur Geisel seiner Vergangenheit, sondern auch Creator seiner Gegenwart und Zukunft sein kann.

Neben der Egomanie ist es wohl oft auch einfach nur mangelndes Interesse, was die Personen von einen auf den anderen Moment zum Rückzug bewegt. Immerhin ist unsere Gesellschaft heute zu großen Teilen so beliebig und offen, dass Jedermann wild auswechselbar ist. Verlust wird nicht als solcher empfunden. Jedenfalls nicht der eines gerade kennengelernten Menschens. Denn man lässt es ja gar nicht erst soweit kommen, dass es ein Verlust werden könnte. Man lässt sich wild und ungestüm auf Dinge ein, weil man weiß, dass man sie ohnehin gleich wieder beendet. In diesen Fällen ist es für den Gegenpart natürlich umso schmerzlicher sich eingestehen zu müssen, dass all die Worte und Taten nur so dahingesagt waren.

Möglicherweise ist es also auch eine plötzlich emporsteigende Angst, die dem sich anbahnenden Glück einen Strich durch die Rechnung macht. Zumindest möchte ich das, so gutgläubig das auch klingt, glauben. Ein Fünkchen Vergangenheit, die einem der sich Annähernden in derartige Unruhe versetzt, dass er/sie lieber die Segel streicht und die eben noch herrschende Entspanntheit und Nähe in Distanz umwandelt. Der nicht gewillt ist seine Vergangenheit Vergangenheit sein zu lassen. Der nicht bereit ist dem Menschen gegenüber eine Chance zu geben, auch wenn er/sie doch eigentlich spürt, dass es gut werden könnte. Aber gut werden bedeutet eben immer auch etwas verlieren zu können. Und das ist es wohl, was sie ängstigt. Ihr Gesicht zu verlieren, sich zu verlieren, etwas zu verlieren, was ihnen ans Herz gewachsen ist.

Und manchmal entscheiden diese Menschen dann, wahrscheinlich oft auch unbewusst und deshalb vielleicht auch etwas vorschnell, dass der andere nicht ausreicht. Geben der „Sache“ keine Chance sich zu entwickeln. Lassen sich von Kleinigkeiten abschrecken und  entscheiden sich stattdessen weiter nach dem Perfekten zu suchen, was es ohnehin nicht gibt. Jedenfalls nicht sofort und dauerhaft. Ist ja auch einfacher, als vielleicht auch einmal auf sich selbst zu schauen. Eigenheiten, Verrücktheiten und die eigene Vergangenheit sind ja nichts Schlimmes, solange man sie sich nicht zum Lebensmittelpunkt macht, sich darüber definiert und sie dadurch zu Gegenwart und auch zur Zukunft macht. Und dennoch tun sie dies in genau diesen Momenten. Aber warum entscheiden sich so viele Menschen für diesen Weg? Anstatt ein wenig zu reflektieren, sich mit ihren eigenen Ängsten auseinanderzusetzen und sich die Chance auf eine andere Gegenwart und Zukunft zu geben? Ja, ihre Vergangenheit macht ihnen Angst und doch entscheiden sie sich immer wieder für sie.

Und so nachvollziehbar und menschlich diese Verhaltensweisen auf der einen Seite auch sind, desto unbegreiflicher sind sie auf der anderen. Denn wo bleibt der Mut? Wo bleibt das Bedürfnis oder die Bereitschaft nach/für Veränderung? Nach wahren Gefühlen? Was kann schon passieren? Ja, man kann verletzt werden, aber man lebt!

Ich für meinen Teil finde es bedauerlich, dass es immer weniger Menschen gibt, die bereit sind etwas zu riskieren. Die lieber von Bekanntschaft zu Bekanntschaft hüpfen um einfach nichts in ihrem Leben ändern zu müssen, um nicht verletzt zu werden und sich nicht mit sich selbst auseinandersetzen zu müssen, als sich auf etwas wirklich Emotionales einzulassen. Weil es ihnen Angst macht? Weil sie denken etwas von ihrer Freiheit einzubüßen? Weil da ja noch etwas Besseres kommen könnte? Die auf der Suche nach Zweisamkeit, etwas Beständigkeit und Sicherheit sind, diese aber sofort im Keim ersticken, wenn sie auch nur aufzuleuchten beginnt. Weil Beständigkeit und Verlässlichkeit in der heutigen Zeit oft mit einer Art emotionalem Gefängnis gleichgesetzt wird. Aber warum?

Wenn all diese Mutmaßungen auch nur ein stückweit richtig sind, erstaunt es mich natürlich wenig, dass alte Werte wie Bindung und Verlässlichkeit immer weniger Bedeutung haben. Dass diese Werte immer mehr Angst machen und dazu führen, dass viele der Mut verlässt. Der Mut für etwas Wahres, Echtes, Festes.

Und auch wenn es naiv erscheint, denn selbst wenn jemand diese Verhaltensweisen an sich erkennt, muss es noch lange nicht heißen, dass er/sie sich ihnen stellt: Ich möchte daran glauben, dass es noch Menschen gibt, die bereit sind sich mit ihren eigenen Emotionen auseinanderzusetzen um so den Weg für eine Zukunft zu schaffen. In diesem Sinne: Es lebe das Fühlen und der Mut dieses auch zuzulassen. Denn wie heißt es so schön NO RISK, NO FUN.