Nachtfahrt nach …

night_berlin_01Foto: © Andreas Bauer, 2007

Im Rausch der Geschwindigkeit. Mittenrein in die Nacht. Lichtfäden vorbeiziehender Städte am Horizont. Bäume fliegen vorbei. Die Laternen und Fluter mutieren zu tanzend weißen Blitzen.

Das gleichmäßige Ruckeln des Wagens lullt ein. Massiert den Geist. Beruhigt. Wie Regen, der sachte gegen ein Fenster trommelt.

Und plötzlich ist man ganz bei sich. Hängt den Gedanken nach. Schweift ab in die Ferne. Öffnet den Geist. Weitet die Synapsen. Und intensiviert Befindlichkeiten. Herzlich willkommen im Ich!

Neurose Weiblichkeit

Wann ist eine Frau eine Frau? Wann wirkt eine Frau feminin? Wann finden Männer eine Frau attraktiv? Was macht eine Frau aus? Und vor allem, wann empfindet sich eine Frau selbst als Frau?

Lässt man Männer über ihre Männlichkeit referieren blühen sie auf. Sie bekommen rosige Wangen, gute Laune, stellen Vergleiche an und schießen gar ein paar Zentimeter in die Höhe. Da erkennen manche in der Gunst des Augenblicks ihre angeblich unverwechselbare Ähnlichkeit mit Collin Firth, ihr bierbäuchiger Sixpack ist außergewöhnlich und sie versprühen mehr Charme und Witz als manch alteingesessener Entertainer. Sie sind einfach stolz darauf, ein Mann zu sein.

Spricht man im Gegenzug Frauen auf ihre Weiblichkeit an, werden viele von ihnen nervös, fangen an zu drucksen und reden sich um Kopf und Kragen. Ein wahrer Aufzählmodus beginnt. Nicht jedoch über all die Dinge, die sie an sich und ihrem Körper für weiblich und attraktiv halten, sondern über die unzähligen Körperstellen, Angewohnheiten und Eigenschaften, die sie teilweise zwar für weiblich, kurioserweise deshalb aber auch für unschön befinden. Dann fällt ihnen ein, dass ihr Hintern zu dick ist, ihr Busen zu klein, sie mal wieder eine ordentliche Frisur bräuchten, die letzte Rasur lieber gestern als heute hätte stattfinden sollen und ihre Fingernägel auch schon bessere Zeiten erlebt haben. Ihren Charakter blenden sie dabei oft völlig aus. Und desto länger man Frauen in diesem Aufzählmodus verweilen lässt, desto schwerer stürzt man sie in eine mittelschwere Krise.

Halt! Da stimmt doch was nicht…

Klar, ein bisschen neurotisch sind vielleicht alle Frauen, was ihren Körper betrifft. Und ein Müh neuropatisch sind sicherlich auch die Männer, wenn es um ihr Antlitz geht. Aber wenn man machen Frauen so zuhört könnte man fast denken, bei „Weiblichkeit“ handele es sich um eine Krankheit mit ernstzunehmenden Folgen. Und das schlimme daran ist: Sie ist auch noch ansteckend. Fängt ein weibliches Wesen an lautstark darüber zu referieren, greift der Virus wie eine Seuche um sich und infiziert alle anwesenden Frauen. Die eine mehr, die andere weniger. Immun jedoch? Eine solche Frau habe ich noch nicht persönlich kennengelernt, bin aber wie immer jederzeit bereit meine Meinung zu revidieren, wenn sich mir das Gegenteil beweist.

Bei alledem drängt sich die Frage nach dem „Warum“ auf. Warum tun wir Frauen das? Warum erleben viele Frauen ihre Weiblichkeit als eine Bedrohung? Warum ist Weiblichkeit etwas, was man bekämpft? Oder anders herum: Warum ist Weiblichkeit etwas, was man sich erarbeiten, erobern, ja fast schon verdienen muss? Warum ist Weiblichkeit etwas, was man lernt sich aufzumalen und abzuschminken wie eine Maske, anstatt sie wie eine schützende Haut mit Wohlbefinden zu tragen?

Weil Weiblichkeit oft mit körperlicher Attraktivität und Schönheit gleichgesetzt wird. Weil Weiblichkeit häufig anhand bestimmter Maße, Proportionen und Kleidergrößen festgemacht wird. Gibt man z.B. bei google „Weiblichkeit“ ein, bekommt man zunächst ein paar Bilder weiblicher Körper und Geschlechtsorgane präsentiert. Es folgen Seiten mit Ratgebern, Tipps und Seminaren wie man zum „Vollweib“ wird, wie man seine körperliche Weiblichkeit unterstreichen kann, wie man „mehr Weiblichkeit“ ausstrahlt. Na herzlichen Dank. Denn laut Definition handelt es sich bei Weiblichkeit eben nicht um weibliche Körpermerkmale sondern umfasst der Frau zugeschriebene kulturelle und gesellschaftliche Eigenschaften. Eigenschaften!!! Wer Femininität also mit Körperlichkeit gleichsetzt untergräbt das Weibliche regelrecht. In diesem Sinne sollten wir (auch wir Frauen selbst) dringend unsere „Vorurteile“ und Maßstäbe unserem Geschlecht gegenüber überdenken. Ferner werden die Begrifflichkeiten „Frau sein“ und „Frau werden“ oft schon frühzeitig mit etwas negativen besetzt. Ein blöder Spruch über zu kleine oder zu große Brüste, das Einsetzen der Menstruation oder aufkommende Zickerein. Das Verbot sich zu schminken, geifernde Blicke auf Familienfeiern, etc. Frau lernt also mitunter schon früh, dass körperliche Weiblichkeit etwas ist, was man eventuell verstecken sollte, was man gut portionieren muss, worüber sie definiert wird. Die Frage nach Weiblichkeit ist also immer auch eine Frage nach der eigenen Identität!

Ich habe mir deshalb selbst einmal die Frage gestellt, was ich als weiblich empfinde? Interessanter Weise ist es weder die Form eines Körpers, noch die Größe eines Busens oder eines Hinterns. Natürlich ist Weiblichkeit ein stückweit auch an all diesen Dingen festzumachen. Immerhin sind dies bereits die Merkmale, die eine Frau optisch von einem Mann unterscheiden können. In erster Linie sind es für mich aber ganze andere Dinge, die Femininität ausstrahlen: Sinnlichkeit, Genussfähigkeit und Hingabe. Persönlichkeit und auch die Fähigkeit Spaß haben zu können und sich wohl zu fühlen. Und wann fühlt man sich als Frau wirklich wohl? Wenn man von etwas hingerissen ist. Wenn man sich voll und ganz, mit allem was man ist und hat, in etwas hineinstürzen kann. Wenn man sich fallen lassen kann. Sprich, wenn man sich aufgehoben fühlt und merkt/weiß, so wie man ist richtig zu sein.

Fakt ist also: Eine Frau kann noch so schön sein, wenn sie sich selbst nicht wohl fühlt und eben diese Hingerissenheit, Hingabe und Lust nicht spürt, wirkt sie mitunter nicht weiblich. Dann fehlt ihr dieses weiche, sensible. An dessen Stelle treten dann oft Verbissenheit den Körper in bestimmte Formen zu pressen, Unsicherheiten und vieles mehr. Und das lässt sie hart und unnahbar erscheinen. Was wiederum Attribute sind, die man nicht mit Weiblichkeit verbindet.

Frauen und ihre Weiblichkeit sind also oft nicht nur für Männer, sondern in erster Linie auch für Frauen selbst ein Mysterium. Anstatt nun dieses Geheimnis ergründen zu wollen, sollten wir alle gemeinsam anfangen Frauen einfach so zu lieben wie sie eben sind: Weiblich. Denn Liebe macht glücklich. Und nichts ist schöner, weiblicher und anziehender als eine glückliche Frau!

Kosmos

Oberbaumbrücke2Foto: © Andreas Bauer, 2010

Die Nacht hat die Stadt in tiefes Blau gefärbt. Und er läuft… Durch die Straßen… Die Suppe wabernder Nachtschwärmer… Die aufgeregt schwatzen um die Sille der Nacht zu durchbrechen. Die Dämmerung hat sich wie Blei auf sein Herz gelegt und nach Stunden… Tausenden Schritten… Und nochmals tausenden Gedanken… Ist er angekommen. An einem Ort der Stille. Um zu begreifen. Nur der klare Nachthimmel mit den kleinen weißen Tupfen zwischen ihm und dem Kosmos. Und was ihm bleibt ist ein Gefühl von Weite. Was plötzlich alles andere verschwinden lässt. Im Universum.

Oversexed & Underfucked – Wie viel Sex ist zuviel Sex?

Sex ist eines der schönsten Dinge der Welt, heißt es. Richtig, sage ich. Aber nur, wenn man ihn auch hat. Was damit gemeint ist?

Ein Bespiel: Letztens an einem Sonntagmorgen. Ich liege in meinem Bett und überlege mir, was ich so mit dem Tag anfangen möchte. Meine Gedanken kreisen und der Blick aus dem Fenster sagt: Im Bett bleiben. Mein Gefühl sagt: Im Bett bleiben ist aber nur spannend, wenn man nicht allein im Bett bleiben muss… Und als wenn meine Obermieterin auf dieses mentale Stichwort gewartet hätte, tönen von oben her komische Geräusche. Als würde jemand den Boden schleifen. Aber halt, da gesellen sich noch ein paar andere Geräusche dazu. Menschliche „Ahs“ und „Ohs“. Die haben Sex. Ich bin sprachlos. Also nicht, dass Sex haben so ungewöhnlich wäre. Und nicht, dass ich ihr und ihrem Gespielen die körperliche Ertüchtigung nicht gönne, aber bitte nicht, wenn ich keinen habe. Unglaublich…

Ich nehme es zum Anlass mal genauer über das Thema nachzudenken. Denn mir fällt auf: Das Thema ‚Sex‘ kommt in der letzten Zeit sehr häufig auf den Tisch. Kaum eine Party wo nicht irgendwer darüber spricht. Allerdings komplett unpersonalisiert. Alle tönen sie laut, nur auf sich selbst bezogen werden sie schweigsam. Warum ist das so habe ich mich gefragt?

Vielleicht liegt es an der Übersexualisierung unseres Alltags? Denn in den Medien wird Sexualität und Intimität immer tabuloser zelebriert. Wir wissen wie „One Night in Paris“ war, dass Patrick Nuo an Sexsucht litt und dürfen uns ständig elektronisch oder menschlich verfeinerte Astralkörper von Michaela Schäffer & Co. ansehen. Uns wurde verklickert, dass eine ausgefallene Intimrasur das Sexleben aufpeppen kann, wir erfahren über immer neue Spielarten bis hin zu Abartigkeiten und I-Phones werden nicht selten zu Pornophones. Prima! In der Sexualkultur der Gegenwart scheinen Technik, Absurdität und Event an vorderster Stelle zu stehen. Was dabei ein wenig abhanden zu kommen scheint, ist die Basis aller erotischen Begegnung: Hingabe und ein ehrlicher, entspannter Austausch. Wir werden also ständig und überall mit dem Thema Intimität, Körperlichkeit und Sex konfrontiert. Sex findet scheinbar immer und überall statt. Nur eben oft nicht in der Realität…

‚Oversexed and underfucked‘, so der von Ariadne von Schirach geprägte Begriff für die diese Entwicklung. Und davon sind nicht nur Singles, sondern auch Paare betroffen. Vielleicht sogar noch schlimmer als ein Single. Denn im Fernsehen tummeln sie sich zu Hauff, die schönen Pärchen – flacher Bauch, vollbusig, straffe Haut, eben einfach sexy. Auch aus den Magazinen lächeln sie, die glücklichen Pärchen, die erzählen wie oft und wie gut es bei ihnen im Bett läuft. Man könnte den Eindruck bekommen sie täten nichts anderes den ganzen Tag. Und die Verschiebung von Realität und vorgeschobener Realität beginnt nicht erst beim Sex, sondern bereits bei der bloßen Körperlichkeit. Wer geht heute noch problemlos nackt in die Sauna ohne sich in diverse Handtücher zu verhüllen? Wer zieht sich noch arglos vor anderen um?  Wer fühlt sich nackt wirklich schön, wenn Ansprüche ans Aussehen von Brüsten, Hinterteilen, Schamlippen und Oberschenkeln immer verzerrter und lebensferner werden Kaum einer. Man tut offen, ist es aber oftmals nicht und brütet dann im stillen Kämmerlein den Frust aus. Ein weiteres, damit einhergehendes Phänomen: Die Medien publizieren „Nur attraktive Frauen und Männer haben Sex.“. Dass setzt jedoch nicht nur diejenigen unter Druck, die meinen nicht attraktiv genug zu sein, sondern auch diejenigen, die als attraktiv gelten.

Druckaufbau, an allen Ecken und Enden. Ansprüche, die nicht erfüllt werden können. Viele denken sie müssen sonst etwas leisten. Denken, sie müssen aussehen wie ein Pornostar. Kein Wunder also, dass der eine oder andere schiss davor bekommt. Versagensängste und Schamgefühl erhalten den Einzug in die Betten, etc. Enttäuschungen vorprogrammiert. Und anstatt dann einfach Sex zu haben, verkneifen sie es sich. Oder sie haben welchen, sind aber so gestresst, dass sie nicht loslassen können. Weil sie ständig daran denken, dass sie es tun müssen. Weil etwas nicht mit ihnen Ordnung sein könnte, wenn sie nicht jeden Tag Lust verspüren. Wenn sie nicht immer das halbe Kamasutra durchzuexerzieren wollen. Wenn nicht jedes Körperteil so makellos aussieht wie in den Hochglanzzeitschriften und Dauerwerbesendungen. Und dann kommt der Frust statt die Lust. Denn die Erwartung, die sie an sich selbst gestellt haben, bleibt eine Erwartung. Dabei heißt es doch nicht umsonst: „Übung macht den Meister.“

Noch vor ein bis zwei Jahren trafen sich ganze Frauencliquen zum gemeinsamen Zelebrieren von „Sex & The City“, einschließlich Austausch eigener Erfahrungen. Vor ein paar Jahren noch klopften sich Männer auf die Schulter, wenn sie tolle Frau erobern konnten (und damit meine ich nicht nur fürs Bett). Unlängst scheint diese Welle abgeebbt. Oder wer traut sich heute noch seine Freundin oder seinen Freund direkt zu fragen: Was geht bei dir so? Bist du mit dir und deinem Sexleben zufrieden? Nicht, dass jetzt hier ein falscher Eindruck entsteht. Sexualität ist natürlich eine intime Sache! Und wer möchte sich schon gern unter die Bettdecke gucken lassen? Das ist damit aber auch nicht gemeint. Natürlich muss man mit seiner Sexualität nicht hausieren gehen. Und natürlich will man auch gar nicht von jedem Freund wissen was und wie er es so hinter verschlossenen Türen treibt. Das auffallende ist aber eben: Eigentlich reden ja alle darüber. Da werden Geschichten von Bekannten eines Bekannten eines Bekannten erzählt. Da wird über die neusten Pornos und Pornosternchen getratscht. Da wird auf Sexmessen gerannt. Aber man selbst hält sich bedeckt. Mitunter scheint manchen Menschen ihr Sexleben sogar so peinlich zu sein, dass sie Liebschaften vertuschen und verschweigen. Aus Angst man könnte darüber reden, sich lustig machen oder Details in Erfahrung bringen wollen. Und dann sind sie oft nicht nur total angespannt und können das Toben durch die Betten kaum bis gar nicht genießen, sondern sie verletzten damit oft auch ihr gegenüber. Denn was soll man schon davon halten, wenn man wie Staub unter den Teppich gekehrt wird?

Kein Wunder also, dass die Sexualisierung des Alltags zu einem Überdruss führt. Dass auch wenn die Öffentlichkeit immer enthemmter wird, privat eine Rückkehr zur ‚Prüderie‘ stattfindet. Um sich nicht messen zu müssen. Um sich nicht in die Karten schauen zu lassen. Um möglichen Fragen aus dem Weg zu gehen. Aber wenn das der Weg zu mehr Aktivität, Losgelöstheit, Entspannung und Spaß in den Betten der Nation ist, sei es jedem gegönnt. Außerdem ist ja Im Dunkeln bekanntlich gut Munkeln.

In diesem Sinne: In die Betten, fertig, los…