Volltreffer

Es ist lange her, dass ich ein Date hatte, dass mich so umgehauen hat. Um es genauer zu sagen, zwei tolle Dates. Oder ein Date mit Fortsetzung.

Ich war emotional ergriffen, vom Anfang bis zum Ende. Vom Ersten bis zum letzten Wort. Ich war überwältigt von so unterschiedlichen Emotionen und so viel Gefühl. Ich war hingerissen von der gleichermaßen existierenden Wortgewandtheit und den schüchtern-kläglichen Versuchen, sich auszudrücken.

Nach nur wenigen Worten hatte ich den Köder geschluckt. Mein Herz raste und kurze Pinkelpausen oder der Griff zur Tasse mit dem Kaffee lösten eine innere Unruhe aus. Ich konnte es kaum erwarten, meine volle Aufmerksamkeit wieder meinem Date, diesen Worten und Emotionen zu widmen. Und ich fragte mich unentwegt: Wie würde es weitergehen? Wie würde es enden? Es endete offen und mein Innerstes verlangte nach mehr. Ein zweites Date musste her, und zwar schnell. Ich konnte es kaum erwarten, ich konnte es kaum abwarten, sehnte es herbei. Und nur die Gewissheit, dass es eine Fortsetzung geben würde, ließ mich nach unruhigen, wachen Stunden doch noch ein paar Augenblicke Schlaf finden. Die Zeit erschien mir unendlich lang. Immer wieder ging ich die Worte durch, die so schöne Sätze ergaben, ein Bild formten und mir eine Geschichte erzählten. Ein wohliges Gefühl breitete sich aus und doch war da eine Angst, dass das Ganze schneller beendet sein könnte, als mir lieb war.

Und dann war es endlich soweit. Die Fortsetzung folgte. Das zweite Date und wieder ein Volltreffer. Wieder tauchte ich ab, vergaß alles um mich herum, fühlte mich geborgen, aufgeregt und angespannt zugleich. Mit jedem weiteren Wort verliebte ich mich mehr. Diese Worte waren wie eine Droge, ich hing an der Angel.

Und dann kam das, was ich so gern herausgezögert hätte. Was ich nicht wollte, aber wusste, dass es kommen musste, damit es so gut blieb, wie es sich anfühlte: das Ende. Eine Mischung aus Enttäuschung und Erleichterung machte sich breit. Enttäuschung, weil es zu Ende war, Erleichterung, weil ich nun wieder würde ruhig schlafen können, meine Aufmerksamkeit wieder auf etwas anderes würde richten können. Und schließlich blieben mir die Erinnerungen an die Worte, die Bilder, die Gefühle, so sagte ich mir. Und diese breiteten sich wohlwollend in meinem Inneren aus. Ich seufzte, sagte „leb‘ wohl“ und speicherte diese tolle Erfahrung in meinem Herzen.

Wie toll kann doch ein Date mit einem Buch sein!!!

Ich kann nur empfehlen: „Gut gegen Nordwind“ (Date 1) und die Fortsetzung (Date 2) „Alle sieben Wellen“ von Daniel Glattauer.

Stille Wasser sind tief bzw. Kleine Städte haben’s in sich

Man glaubt gar nicht, was einem so alles in einem kleinen Städtchen in Sachsen-Anhalt passieren kann. Wie sagt man so schön „Stille Wasser sind tief“ und vielleicht lässt sich das ja auch auf Städte übertragen. So nach dem Motto „Kleine Städte haben’s in sich“. Obwohl es eigentlich nicht das Städtchen an und für sich ist, sondern eher die Stadt als Schauplatz. Aber von vorn.

Es war ein kalter Winterabend. Die Straßen vereist, die Nasen und Gesichter der Menschen rot. Man verkroch sich ins Warme. So auch mein Freund und ich. Wir hatten es uns bei einem kleinen Italiener in der Innenstadt gemütlich gemacht und gerade mit dem Essen begonnen, als am Nebentisch ein auffallendes Pärchen Platz nahm. Optisch stachen sie einfach aus dem Rest der Leger und winterlich gekleideten Menschen heraus. Sie, schätzungsweise Mitte vierzig, im roten Kleinen mit Ausschnitt bis zum Bauchnabel. Passend dazu rote Fingernägel, rote Pumps und ganz viel Schminke im solariumgebräunten Gesicht. Er, vielleicht Mitte/Ende dreißig, mit tiefem V-Ausschnitt, Goldkettchen und Oberarmen, die dicker waren als meine Schenkel. Natürlich zugehakt von oben bis unten und natürlich auch solariumgebräunt.

Sorry, aber da musste ich einfach hinsehen. Deshalb fiel mir auch auf, dass sie sich immer wieder lasziv eine Haarsträhne aus dem Gesicht strich, während er unentwegt an seiner Kette herumspielte. Wie süüüß, selbst Checker und Tussi sind nervös vor einem ersten Date. Denn das war es ganz offensichtlich. Die beiden tauschten sich gerade über diverse Portale und Apps zum Kennenlernen aus. Mein Freund fühlte sich bereits jetzt durch die eigenartige Konversation gestört. „Lass sie doch, die haben ihr erstes Date. Die sind aufgeregt.“, beschwichtigte ich ihn. „Meinst du?“, fragte er und seine Aufmerksamkeit war geweckt. Meine Vermutung sollte sich bestätigen, als die beiden anfingen sich lautstark über den Anfahrtsweg zu unterhalten. Das kleine Städtchen in Sachsen-Anhalt war also die Mitte der beiden. Sie aus Thüringen, er aus Niedersachsen. Alles klar. Aber warum verschlug es sie ausgerechnet in diese kleine Provinzstadt??? Wir sollten es schon bald erfahren…

Auch wenn ich mich bemühte nicht hinzuhören, denn für gewöhnlich gönne ich mir und anderen Leuten ihre Privatsphäre, es ging gar nicht anders. Sie saßen ja auch nur circa zwanzig Zentimeter von uns entfernt und drängten uns ihr Kennenlernen geradezu auf.

Während er nun sein Carpaccio geradezu inhalierte und sie mit einer Pizza kämpfte, erfuhren wir Lebensläufe, Lebensweisen und Hobbies. Sie die erfolgreiche Radio- und TV-Journalistin, die sich inzwischen mit Personal Coaching selbständig gemacht hat, er „macht in Versicherungen und so“. Zudem sei er ein sehr sauberer Mensch. Ja, seine Wohnung sei astrein, genauso wie sein Auto. Ich will ja nichts sagen, aber: War ja klar! Ach ja, und er stehe natürlich auf Fitness. Sach bloß, hätte ich nieeeeemals vermutet.

Anschließend erfolgte ein Monolog über seine wirklich außergewöhnliche Persönlichkeit. Darüber, dass ihn viele als Fake bezeichnen würden, was er natürlich nicht sei. Begleitet wurde sein Monolog nun nicht mehr von Kettenspielerein sondern von Brustkneten. Entschuldigt, wenn ich mich noch einmal einschalte, aber so wie er da saß, war er genau das: Fake. Ich möchte ihm ja gar nicht absprechen, dass er auch ein Wesen hinter seiner Fassade hat, aber das zeigte er hier definitiv nicht. Weiter ging es mit Geldangelegenheiten, seiner Vorliebe zur Technomusik (ja, er sei leidenschaftlicher DJ), sexuellen Vorlieben, etc. pepe. Sie erzählte dafür von ihren zwei Kindern, dass sie eine ganze Wilde gewesen sei und das Abenteuer braucht. Deshalb fände sie es auch überhaupt nicht prickelnd, dass ihre Freundinnen keine Lust mehr auf lange Partytouren durch die Clubs haben. Dafür sei es ja auf der anderen Seite auch gut jemanden Verlässlichen an seiner Seite zu haben.

Ich fragte mich immer mehr, was für ein komisches Date das doch war. Wer wollte bzw. suchte denn jetzt was? Kaum kennengelernt, packten die hier ihren finanziellen Background, ihre partnerschaftlichen und sexuellen Vorlieben, etc. aus. Ich erinnerte mich an mein erstes Date mit meinem Freund. Ich konnte mich beim besten Willen nicht daran erinnern, dass wir uns auch gleich alles aufs Brot geschmiert haben. Aber gut, jedem das Seine. Vielleicht fackelt man im Alter ja auch nicht mehr lange, sondern macht Nägel mit Köpfen. Und während ich mich noch an unsere ersten Dates erinnerte und in einer ganz anderen Welt schwebte, holten mich die Stimmen der beiden zurück. Hatte sie gerade gesagt: „Mein Mann ist da voll tolerant. Erst letzte Woche war ich das Wochenende weg.“? Mein Freund und ich guckten uns wissend an…

Das war kein Date. Das war ein Sexdate! Deshalb auch ihr frivoles Haarsträhnenspiel und sein ständiges Brustgeknete. Deshalb der kleine, unscheinbare Ort in Sachsen-Anhalt, an dem sie wohl niemand vermutete, geschweige denn sehen könnte.

Ich war baff. Also nicht, dass mir nicht bewusst wäre, dass es diverse Portale für derartige Treffen gibt. Und nicht, dass ich so naiv wäre nicht zu wissen, dass diese Seiten hoch frequentiert benutzt werden. Aber Zeuge eines solchen Spektakels zu werden… Mein Freund kam auch aus dem feixen nicht mehr heraus. So aufregend konnte also ein Abend in einer kleinen, knapp 28.000-Seelengemeinde sein. Spannender als der Film, den wir zuvor im Kino geschaut hatten.

Und während ich mich für die kalte Winternacht in meine wärmenden Winterklamotten schälte und darüber nachdachte, ob ihr Mann wohl von ihren kleinen Abenteuern wusste, bekamen wir zum Abschied noch die ultimative Frage dargeboten. „Sag mal, hast du Zimmerpflanzen?“, fragte sie süffisant. Und er antwortete: „Du wirst es nicht glauben, aber ich habe nur künstliche Pflanzen.“

Handlungsunfähig

Es gibt Situationen im Leben eines Jeden, da muss man einfach Handeln. Tut man es nicht, hat man seine Chance verpasst. Aber es gibt Menschen, die tun genau das. Sie verkennen die Situation. Handeln – Fehlanzeige! Stattdessen labern und labern sie. Und reden letztlich alles tot. Dann ist es nicht mehr nur wahnsinnig schwierig je wieder in eine solche Situation zu kommen, sondern durchaus vorstellbar, dass das Gegenüber gar nicht mehr in diese Situation kommen möchte. Aus die Maus!

Ein Beispiel: Ein Club. Musik. Sich zum Rhythmus der Musik bewegende Körper. Zwei Menschen. Ein Blick. Knistern. Die Nacht wird zum Tag. Man wandelt gemeinsam aus dem Club. Ein lauer Sommermorgen. Die Sonne geht gerade auf und man entschließt sich spontan gemeinsam in einem See baden zu gehen. Und dann… dann müsste er kommen, der Kuss. Aber er kommt nicht. Man tut es als Zurückhaltung ab und trifft sich noch einmal. Und wieder wartet man vergebens auf den Kuss. Man trifft sich und trifft sich, und nichts passiert. Schließlich fragt man sich was da wohl los ist? Hallo, wir leben nicht mehr im 18. Jahrhundert. Küssen vor der Ehe ist durchaus erlaubt. Irgendwann ist die Luft raus. Dann handelt man eben doch selbst, aber dann heißt es: Schön dich kennengelernt zu haben, aber ich schau mich dann mal anderweitig um. Und was bleibt ist die Erkenntnis, dass das Gegenüber einfach nicht erkennt was ihm/ihr entgeht und natürlich die Frage, warum man selbst nicht schon viel eher einen Schlussstrich gezogen hat.

Natürlich überlegt man ob die Handlungsunfähigkeit an mangelndem Interesse liegt. Und natürlich kann dies durchaus der Fall sein. Wenn man allerdings Beiträge wie „Die Schmerzensmänner“ von Nina Pauer liest, scheint es sich hierbei mitunter eben nicht um Desinteresse zu handeln, sondern um ein rapide ansteigendes gesellschaftliches Phänomen: Die von ihr so betitelte „jungmännliche Identitätskrise“. Nicht mangelndes Interesse sondern wachsende Verunsicherung sei das Problem. Da dürfte es wohl ein Wunsch bleiben, zur richtigen Zeit, am richtigen Ort, das Richtige zu tun… Ein trauriges Fazit. Ich würde jedoch behaupten, dass dies nicht nur ein männliches Problem ist. Frauen stehen dem in nichts nach. Aber warum in aller Welt fällt es den Menschen heute immer schwerer Signale zu deuten und zu Handeln, richtig zu Deuten und zu Handeln? Wo ist die Abenteuerlust geblieben, der Wunsch die Welt aus den Angeln zu heben? Ein bisschen Nervenkitzel muss doch sein. Sind wir also zum Schauspieler unseres eigenen Lebens geworden? Haben wir es verlernt zu tun wonach uns ist? Oder tun wir nicht wonach uns ist, weil wir gar nicht wissen wonach uns ist? Nein, ich glaube an die Handlungsfähigkeit des Menschen, ich will daran glauben!!! Man muss es nur üben ;) Auch wenn dies bedeutet, dass man hin und wieder in Situationen gerät, in dem das Handeln lieber ein Wunschtraum im Kopf des Handelnden geblieben wären.

Denn so gibt es auch Situationen im Leben eines Jeden, da sollte man lieber nicht Handeln. Tut man es doch, wird es peinlich und/oder lästig. Aber es gibt auch hier Menschen, welche die Gabe besitzen, diese Situationen zu missdeuten. Signale erkennen – Fehlanzeige! Langsam antasten – wo denkst du hin?! Stattdessen schalten sie den Turbogang ein. Reden wird überbewertet. Sie handeln und tun genau das Gegenteil von dem was man signalisierte.

Ein Beispiel: Ein Club. Musik. Sich zum Rhythmus der Musik bewegende Körper. Zwei Menschen. Ein Blick. Das Signal: Sprich mich nicht an. Man dreht sich weg. Plötzlich steht er wieder vor einem. Man dreht sich abermals weg. Und da, was ist das? Er rubbelt tatsächlich an deinem Hintern. Man dreht sich wütend um und funkelt ihn böse an. Zugegeben, eine Ohrfeige wäre wohl ein eindeutiegeres Signal, aber man will ja nicht brutal werden. Und er? Er lächelt und weicht einem nicht mehr von der Seite. Irgendwann geht man ganz einfach, um zu entkommen. Im extremsten Fall trifft man denjenigen nach Wochen oder Monaten zufällig wieder und er redet von der verpassten Chance. Und man denkt sich: was für ’ne Chance? Was für ’ne Gelegenheit. Hätte ich gewollt, hätte ich gewollt…

Bleibt wohl einzuräumen, dass der Ausgang diverser Geschichten natürlich nicht  allein an einer einzelnen Person hängt. Die Kombi macht den Braten fett. Und die richtige Kommunikation wohl den Rest. So mag es also sein, dass man – selbst wenn man es anders denkt – uneindeutige Signale sendet. Mag ebenfalls sein, dass das Gegenüber gleichfalls auf die Initiative wartet. Und mag auch sein, dass man an ein Gegenüber geraten ist, was gar nicht wirklich will. Und ja, ich gebe es ja auch zu: Es ist nicht ganz einfach, das Eine vom Anderen zu unterscheiden und dann auch noch das Richtige zu tun. Aber es sollte doch nicht Unmöglich sein!!! Mit etwas mehr Direktheit und weniger „ersteinmal alles Abchecken“ und Hinhalten wäre wohl allen geholfen. Auch ich habe erst kürzlich aus einer solchen Situation gelernt: Verschwende nicht die Zeit damit herauszufinden was der Andere will, sondern werde dir klar was du willst und dann handele danach. Alles andere ist vertane Liebesmüh, denn zwei Handlungsunfähige ergeben eben keinen Handlungsfähigen. Also packen wir doch die Gelegenheiten beim Schopf und feiern die Feste wie sie kommen.