Kompli…was?

Letztens habe ich einer mir völlig fremden Frau auf der Damentoilette eines Cafes ein Kompliment gemacht. Einfach so. Als sie sich gerade aus einer Jeans schälte und in ein rotes Kleid stieg, was wirklich schön an ihr aussah. Doch das einzige was ich von ihr für das Kompliment kassierte, war ein herablassender Blick. Nicht, dass ich ein Gegenkompliment erwartet habe. Nicht im Geringsten. Denn ich halte es mit den Komplimenten, wie mit dem Schenken. Ich schenke nicht um etwas zurück zu bekommen, sondern wenn mir danach ist. Wenn ich Jemandem eine Freude machen möchte und kann. Denn dann kommt es von Herzen. Und darauf kommt es doch an.

Ich habe also nicht erwartet, dass mir die junge Dame um den Hals fällt oder gar zurück „komplimentiert“. Und auch ihren Blick nahm ich ihr nicht einmal übel, er brachte mich lediglich zum Nachdenken. Und desto mehr ich darüber nachdachte und mich an Alltagssituationen unter Freunden, Fremden, etc. erinnerte, desto mehr wurde ich mir des „Verfalls“ von wahren Komplimenten bewusst. Nicht nur, dass immer weniger verteilt werden, sie werde zudem oft auch nicht als wohlwollend auf- und angenommen.

Aber warum fällt es vielen so schwer Komplimente zu machen und vor allem auch entgegen zu nehmen? Eigene Unzufriedenheit, der fehlende Blick für das Schöne im Leben (und damit ist nicht nur visuelle Schönheit gemeint), Skepsis an der Ernsthaftigkeit des Kompliments, ein Überdruss an virtuellen Komplimenten?

Ja, Perfektionismus, wenig Selbstvertrauen und eine innere Unzufriedenheit können Schuld daran sein, dass man blind bzw. taub für eine derart schöne Rückspiegelung wird. Da kann ein Kompliment auch mal in ein verbales Ping Pong ausarten. „Du bist schön.“ – „Findest du? Aber ich hab doch…“ – „Nein, finde ich gar nicht. Du siehst wirklich schön aus.“ – „Wirklich? Aber ich müsste/könnte/sollte…“ Herrgott nochmal, warum freust du dich nicht einfach? Fishing for Compliments oder doch einfach nur fehlendes Selbstbewusstsein? Wohl von Fall zu Fall unterschiedlich.

Ich kann mich jedefalls an Zeiten erinnern, da ging es mir genauso. Ich bekam ein Kompliment und alles was ich erwiderte war etwas, dass das Kompliment sofort widerlegte, zu Nichte machte, etc. Ich hätte es wohl selbst nicht bemerkt, wenn mich nicht irgendwann jemand darauf hingewiesen hätte. Jemand, der mir gerade ein Kompliment gemacht hatte, weil er mich zum ersten Mal in einem Kleid sah und fand, dass es meine Schönheit unterstreiche. Anstatt mich darüber zu freuen, dass er mich als Frau wahrnahm und mir zudem gerade gesagt hatte, dass er mich für ein attraktives Exemplar dieser Gattung hielt, war es mir peinlich. Ich fühlte mich unwohl. Glaubte ihm nicht. Und deshalb reagierte ich wie üblich mit einem „aber“. Dank seiner Offenheit in Form eines verbalen Zaunpfahls – „Frau Punktpunktpunkt, nun nehmen sie das Kompliment doch einfach mal an und machen es nicht gleich wieder zunichte!“ – wurde ich sensibilisiert. Das hatte gesessen. Und mit jedem Mal, in dem ich folglich ein Kompliment erhielt und Widerworte geben wollte, blieben sie mir quasi im Hals stecken. Gott sei Dank, denn wie schön ist es doch ein Kompliment als das aufzufassen, was es ist: Etwas Wohlwollendes.

Genau wie mit dem Aussehen verhielt es sich mit Leistungen. Da ich selbst nie zufrieden war und Lob nicht gewohnt war, gingen Komplimente für gute Arbeit ungehört an mir vorbei. Kein Wunder, dass ich gar nicht mehr aus dem Staunen heraus kam, als mir eine Bekannte, die ich gerade erst kennengelernt hatte, ein paar Ohrringe schenkte, als ich mein Studium mit super Schnitt abschloss. Alles was sie auf mein verwundertes Gesicht erwiderte war: „Wenn du dich schon selbst nicht für deine Leistung freuen kannst, dann lass es mich tun. Ich freu mich nämlich für dich!“ Auch dieser Vorfall hat etwas in meiner Wahrnehmung verändert.

Heute gehe ich anders mit Komplimenten um. Ich bin nich sofort skeptisch und denke, dass es gar nicht ernst gemeint ist. Ich freue mich darüber. Und ich kann auch welche verteilen. Ich kann einer Freundin sagen, dass sie heute wirklich schön aussieht, dass Jemand mich mit seinem Tun sehr berührt, etc. pepe. Auch wenn ich dafür hin und wieder nur einen skeptischen Blick kassiere. Im Besten Fall aber zaubere ich ein Lächeln auf das Gesicht meines Gegenübers und dass ist doch eines der größten Geschenke überhaupt.

Ein anderer Grund für den Verfall echter Komplimente könnten zudem die neuen Kommunikationsmittel und -wege sein. Der Überfluss an Komplimenten in Form von Likes, etc. der ein wahres, persönlich ausgesprochenes Kompliment völlig untergehen lässt. Wie schade, denn im Prinzip ist es doch so: Viele lechzen heute regelrecht nach Komplimenten. Instagram, Facebook, etc. sind voll von aufwendig geschossenen Fotos, um sich selbst ins beste Licht zu rücken. Ein bisschen Bauch einziehen hier, ein bisschen Po raus da, einmal Muskeln anspannen, ein bisschen Kussmund, ein Hauch Photoshop oder Filter, et voila: Hier sehen sie Mister & Misses Perfect. Und dann warten sie. Auf die Likes und die Kommentare, in denen man sich gegenseitig belobhudelt. Ohne sie kein Selbstbewusstsein. Klar, dass ein wahres Kompliment da kaum noch wahrgenommen wird. Schließlich steht das nirgendwo Schwarz auf Weiß. Da ist kein Daumen der nach oben zeigt. Man muss es hören und verstehen.

Und auch anders herum ermöglicht die virtuelle Welt einen verschwenderischen Umgang mit „Komplimenten“. So ein Klick ist schnell getan, ob der Absender das auch wirklich so meint, ist eine andere Sache und zeigt sich oft daran, wie schnelle Komplimente in Form von Likes wieder gelöscht werden, wenn der andere nicht erwartungsgemäß darauf reagiert. Ein Kompliment wirklich auszusprechen ist um einiges schwieriger, verlangt sogar einiges an Mut, wenn man das Gegenüber noch gar nicht kennt. Und deshalb lassen es viele einfach und bleiben beim schnellen Klicken.

Vielleicht ist das auch der Grund weshalb ich nicht auf derlei Portalen zu finden bin. Denn ich habe den Sinn und Zweck eines ehrlichen Kompliments zu Schätzen gelernt und das wiegt doch um einiges mehr als etliche Likes.

In diesem Sinne: Für weniger leicht dahingeklickte Likes. Für mehr echt gemeinte Komplimente.

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